Martin Gerwers
THERE

April 9 – May 28, 2016

Wir freuen uns, am 8. April 2016 mit THERE unsere erste Ausstellung mit Werken von Martin Gerwers (*1963 in Velen, lebt und arbeitet in Düsseldorf) zu eröffnen. Gerwers ist im Rheinland kein Unbekannter, im Gegenteil. Zuletzt richtete ihm das Leopold-Hoesch-Museum in Düren mit Motion eine große Einzelausstellung ein (2015). Seine letzte Ausstellung in Köln ist jedoch 16 Jahre her und so freuen wir uns besonders, ihn während der Art Cologne zeigen zu können.

In THERE zeigen wir Arbeiten, die sich im Spannungsfeld zwischen Malerei, Skulptur und Relief bewegen. Mit ihnen untersucht Martin Gerwers, kurz gesagt, das Verhältnis von Farbe und Raum. In ihrer Vielansichtigkeit werden die raumgreifenden Malereien für den Betrachter erst dann vollständig erfahrbar, wenn er aktiv um die mehrfarbigen Objekte schreitet. So ergibt sich – je nach Betrachterstandpunkt – eine Vielzahl von Seheindrücken.

Bereits in der Ausstellung Motion hatte Gerwers hölzerne, bemalte Pylone, bzw. Säulen auf dreieckigem Grundriß gezeigt. Sie waren für den Ort geschaffen worden und zwar so, daß sie – ähnlich wie Stalagmiten und Stalagtiten – sehr lang gestreckt waren, in einem sehr kleinen, spitzen Winkel endeten und – darauf kommt es hier an – einen Raum “dazwischen” definierten, weil sich die Spitzen der aufeinander zulaufenden Raumkörper gerade nicht berührten. Auch für THERE hat Martin Gerwers mit zwei von der Raumdecke hängenden und zwei stehenden Pylonen ortsspezifische Werke geschaffen.
Und auch diese Pylonen definieren einen Zwischenraum, das (scheinbare) Nichts, das sich zwischen der Spitze der Objekte und der Decke bzw. dem Boden befindet. Wenn man als Betrachter etwa versucht, eine solche auf den Boden weisende Spitze im Raum zu verorten, muß man sein Scheitern erkennen. Je intensiver man die Skulptur fixiert, je mehr man sich ihr mit dem Blick nähert, desto weniger läßt sie sich im Raum verorten. Zugleich gliedern die Pylonen den Galerieraum wie Menschen oder Bäume, einerseits als stünden sie wie zufällig abgestellt an ihrem jeweiligen Ort, andererseits als bildeten sie eine Gruppe miteinander kommunizierender Elemente.
Gerade dieser Aspekt wird noch besonders deutlich, wenn man sich die Farben vor Augen führt. Denn die vier Pylonen stehen / hängen so, daß sie ein Viereck bilden und damit einen Platz definieren. Während die auf die Innenseite des “Platzes” gerichteten Seiten der Pylonen aus gedämpften oder wenigstens hellen Farben bestehen – es handelt sich um drei verschiedene Gelbtöne, drei Grautöne, ein Rosa, ein gedämpftes Braun – sind die nach außen gerichteten Farben intensiv und stark. Außerdem stehen die Pylonen so, daß in der Regel jeweils zwei Seiten und damit zwei Farben eines Pylons zu sehen sind und diese Kontraste und Relationen der Flächen, deren Farbauftrag perfekt und homogen ist, transferieren den jeweiligen Raumkörper geradezu in ein zweidimensionales, flaches Gebilde. So entsteht ein ständiges Wechselspiel aus Raumeindruck, Wahrnehmung des Körpers im Raum (und zwar des Körpers der Skulptur genauso wie des Betrachters) mit der (vermeintlich) flachen Malerei, die gerade durch die verwendeten Farbtöne eine Hochspannung, eine visuelle Vibration erzeugt.

Während die Pylonen dieses Spiel im wahrsten Sinne des Wortes auf die Spitze treiben, zeigen uns die Wandarbeiten in der Ausstellung vor allem, wie wenig wir ein solches Relief im Nu erkennen oder gar definieren können. Jede Bewegung des Betrachters um ein solches Objekt herum führt zwangsläufig und mit großen Überraschungseffekten zu bisweilen totalen Veränderungen der Erscheinung. Während beispielsweise This One in der frontalen Ansicht geradezu ätherisch und zart wirkt, weil im Grunde nur ein ganz helles Blau sichtbar wird, genügen schon leichte Bewegungen nach links und ein intensives Stahlblau sowie ein kräftiges Ocker kontrastieren mit dem Hellblau um die Wette. Und wenn man, ausgehend von der frontalen Position, einen Schritt nach rechts macht, dann werden ein Blassrosa und ein schwarzer Keil sichtbar, die mit dem Hellblau kontrastieren. Wir müssen aber nicht nur von sich verändernden Farbwelten sprechen, sondern auch die Formen verändern sich radikal. In der frontalen Aufsicht wirkt die Arbeit fast wie ein flaches, von zarten Linien durchzogenes Gemälde. Von links gesehen zieht sie sich zusammen, wie eine Schnecke, die sich in ihr Haus verkriecht. Und von rechts gesehen wirkt sie wie eine – um in der biologischen Metapher zu bleiben – sich öffnende Muschel.

Alle diese Aspekte kann man mühselig in – wie gesehen – wortreiche Metaphern fassen und gleichzeitig wird man dem Gesamteindruck nie gerecht. So muß man wohl mit Ludwig Wittgenstein konstatieren, daß man darüber, “worüber man nicht sprechen kann”, schweigen muß.

We are proud to inaugurate on April 8, 2016 with THERE our first exhibition with works by Martin Gerwers (born 1963 in Velen, lives and works in Dusseldorf). Gerwers is well known to the Rhineland. Lately, he had an extensive single-exhibition, Motion, at the Leopold-Hoesch-Museum in Düren (2015). His last exhibition in Cologne, however, was 16 years ago and thus we are particularly happy to show him during Art Cologne.

In THERE we exhibit works that are situated between the genres of painting, sculpture and relief, and Martin Gerwers examines the relationship of color and space. The many perspectives of Gerwers’ extensive paintings can only be fully experienced if the viewer actively moves around the multicolored objects. Thus – depending on the viewer’s position – a variety of visual impressions arises.

Gerwers worked with concrete spatial references already in Motion where he placed colored pylons, respectively columns on triangular ground in the main hall of the museum. They had been created for this very site in a way that – similar to stalagmites and stalactites – they extended very long, ended in very small, acute angles and – and this is what we want to emphasize – defined a space “in between”, because the pikes of the facing objects did not touch each other. Similarly to this, Gerwers created for THERE with the two pending pylons and the two standing pylons site-specific works. And also these pylons define an “in-between”, the (seemingly) nothingness that hovers between the pikes of the objects and the ceiling respectively ground. As a viewer, if one aims to situate a pike pointing to the ground, one gradually understands that this is not possible. The more we fix our gaze on the pike, the closer we get to it, the less it can be defined in space. In the same time, the pylons give rhythm to the gallery’s space, like human beings or trees, as if they had been placed randomly, but – on the other side – also as if they were part of a group of elements that communicate with each other. This aspect is even more obvious once we take a look at the colors of these objects. Because the pylons have been installed in a way that they form a square and thus a plaza. While the colors on the inside of this plaza are muted or (at least) clear – we talk about three different tones of yellow, three greys, one rose, one muted brown – the colors on the outside are strong and intense. Plus: the pylons have been placed in a way that mostly two sides and thus two colors are visible. And the contrasts and relations of the planes, the smoothness and perfection of the way the color had been applied, transfer each object in space to something that seems to be a two-dimensional, flat thing. As a consequence, we experience a continuous alternation of a spatial impression, the perception of a body in a space (and that means: the body of the sculpture as well as our own, moving body) and the (seemingly) flat painting, that creates through the employed colors a high tension, a visual vibration.

While the pylons carry this alternation to its extreme, the works that are installed at the wall do in particular demonstrate that we are not able at all to discern or define such a relief in a jiffy. Each movement of the viewer around such an object leads necessarily and with magnificent effects of surprise to at times even total changes. For instance, the work This One seems to be – seen from the frontal view – almost etheric and delicate, because we mainly see a very light blue. However, only a small movement to the left reveals a strong, cold and intense blue that contrasts with a strong ochre and both contrast with the light blue. But when we move to the right, a pale rose and a black become visible, they form wedges in the light blue. And: we cannot and need not only speak about changes of colors, but also of spatial impressions: the forms of the work change radically with each movement. The frontal view shows an almost flat painting- like object, only structured by very light lines. Seen from the left side, the form looks as if it was a snail moving back into its shell. And seen from the right side, it looks as if it was – to stick to the biological metaphor – an open mussel.

All these aspects can be laboriously expressed with metaphors and still we will not be able to fully describe our esthetic impression. Thus, we need to admit with Ludwig Wittgenstein that “one must remain silent” “about what one can not speak”.