Corinna Schnitt
Zu Blumen flüstern
February 27 – April 2, 2016
Wir freuen uns, am 26. Februar 2016 mit Zu Blumen flüstern unsere zweite Ausstellung mit Werken von Corinna Schnitt (*1964 in Duisburg, lebt und arbeitet in Braunschweig) zu eröffnen.
Mit Epirrhema und einer Gruppe von Werken, die der Ausstellung ihren Titel geben, zeigen wir zwei im weitesten Sinne der Naturbeobachtung und der Analyse des Verhältnisses von Mensch, Natur und Kunst gewidmete Arbeiten.
Die Videos der Serie Zu Blumen flüstern greifen das Internetphänomen ASMR (Autonomous Sensory Meridian Response) auf. Es gründet auf der Annahme, daß bestimmte akustische und visuelle Reize, sogenannte ‘Trigger’, eine positive Reaktion im Gehirn auslösen und ein ‘Kribbeln im Kopf’ erzeugen. Dazu trägt die inszenierte persönliche Aufmerksamkeit und Intimität bei, die dem Zuschauer durch Kamerablicke, Wortwahl und Flüsterton der in der Regel weiblichen Protagonisten zuteil wird. Corinna Schnitt hat eine Reihe solcher Youtube-Stars gebeten, ihre ASMR-Fertigkeiten mit Blumensträußen auszuspielen. So zeigen die Videos, jedes für sich aufgenommen im privaten Umfeld, eine dem Zuschauer zugewandte Frau, wie sie die Blumen liebkost, an ihnen riecht und sie in all ihren Details flüsternd beschreibt. Die Blumen, unter anderem sehr frische Tulpensträuße, wirken in der medial gebrochenen Darstellung ziemlich künstlich; und die Art und Weise, wie sie von den Frauen behandelt und beschrieben werden, ist es auf jeden Fall und dies nicht allein deshalb, weil das verwendete Medium Youtube ein digitales ist.
Eppirhema hingegen, ein in Cinemascope gedrehter Film, suggeriert eine ins Extrem gesteigerte Naturbeobachtung. Die Kamera kommt den gefilmten Pflanzen so nah’, daß man fast von einem Eindringen in die Natur und die gefilmte Flora sprechen kann – im Gegensatz zu einer distanzierten und erklärenden oder belehrenden Filmaufnahme, wie wir sie allenthalben aus der Welt des Fernsehens kennen. Tatsächlich jedoch erfahren wir (im fast wahrsten Sine des Wortes) mit der endlosen, langsamen Kamerafahrt eine künstlich arrangierte Welt.
Der griechische Titel Eppirhema (das Dazugesprochene) ist auch der Titel eines Gedichts von Johann Wolfgang von Goethe:
Müsset im Naturbetrachten
Immer eins wie alles achten.
Nichts ist drinnen, nichts ist draußen;
Denn was innen, das ist außen.
So ergreifet ohne Säumnis
Heilig öffentlich Geheimnis!
Freuet euch des wahren Scheins,
Euch des ernsten Spieles!
Kein Lebend’ges ist ein Eins,
Immer ist’s ein Vieles.
Wenn man dieses Gedicht als Interpretationswerkzeug für Corinna Schnitts Arbeit nutzt, läßt sich eine Faszination für die Vielgestaltigkeit der Natur und deren Ganzheitlichkeit erkennen.
Die drei Fotografien Tujungha I–III ergänzen Eppirhema: durch übergroße Nähe verschwimmen auch hier Konturen und Details, Natur wird als Farbphänomen sichtbar, nur die im Hintergrund angedeutete Landschaft ordnet die Farbexplosion als Abbildung von Natur ein.
We are proud to inaugurate on February 26, 2016 the exhibition Whispering to Flowers with works by Corinna Schnitt (born 1964 in Duisburg, lives and works in Braunschweig).
With Epirrhema and a group of videos, that give the show its title, we show two works that are broadly dedicated to the observation of nature as well as to the analysis of the relation between humankind and nature and art. The videos Whispering to Flowers refer to the internet phenomenon ASMR (Autonomous Sensory Meridian Response). It is based on the assumption that specific acoustic and visual sensations, so-called ‘triggers’, unleash a positive reaction in the brain, generating a sense of ‘butterflies’ in the mind. The supposedly personal attention paid to the viewer contributes to this feeling: a sense of intimacy is conveyed by the camera views, the choice of words and the whispering of the – mainly female – protagonists. Corinna Schnitt asked a group of these Youtube-stars to display their ASMR-abilities with bouquets of flowers. Thus, the videos, each of it shot in private apartments, show a woman facing the viewer, caressing and smelling the flowers while whispering detailed descriptions of them. The flowers, very fresh bouquets of tulips, amongst others, have a certain artificial quality to them and the way they are treated or described by the women is certainly extremely artificial, not only because of the digital media Youtube that are normally used to exhibit ASMR-videos.
On the other side, Eppirhema, a film shot in cinemascope, suggest an extreme close-up to nature. The camera gets so close to the filmed plants that one can talk of intruding nature and the filmed flora – very much in contradiction to the distanced, explaining and teaching films that we know from nature-TV. However, what we get to see in this almost endless and slow tracking shot is an artificially arranged world. The Greek title Eppirhema (an address) is also the title of a poem by Johann Wolfgang von Goethe:
You must, when contemplating nature,
Attend to this, in each and every feature:
There’s nought outside and nought within,
For she is inside out and outside in.
Thus will you grasp, with no delay,
The holy secret, clear as day.
Joy in true semblance take, in any
Earnest play: No living thing is One, I say,
But always Many.
If one takes this poem as a tool for interpretation for Corinna Schnitt’s work, one realizes a phascination for the diversity of nature and its holism.
The three photographs Tujungha I–III complete Eppirhema: due to its excessive zoom the contoures and details are blurred, nature becomes visible as a phenomenon of color, only the allusion to landscape in the background of the photographs classifies the explosion of color as an image of nature.