Enya Burger
Welcome to the Club
November 7, 2024 – January 18, 2025
Opening on November 6, 2024, 7-9 pm
Mit Welcome to the Club zeigen wir unsere erste Ausstellung mit Enya Burger. Burger (*1996, lebt und arbeitet in Düsseldorf) absolvierte im Sommer 2024 ihr Studium an der Kunstakademie Düsseldorf in der Klasse von Prof. Gregor Schneider. Zuvor studierte sie bei Prof. Marcel Odenbach, der ihr 2021 den „Meister“-Titel verliehen hat.
In ihrer Arbeit setzt sich Enya Burger intensiv mit Machtstrukturen in Politik, Wirtschaft und Digitalität auseinander. In ihrer Bildsprache verfremdet sie Insignien der Macht und bringt damit komplexe Sachverhalte kritisch-analytisch auf einen visuellen Punkt. Zudem analysiert sie, welche Strukturen der Produktion digitaler Technologien zugrunde liegen, die oft als neutral und „geschlechterlos“ wahrgenommen werden. Dabei arbeitet Burger interdisziplinär mit Installationen, Video, Fotografie und (digitaler) Zeichnung.
Im ersten Raum der Ausstellung werden Besucher:innen mit den Worten „Welcome to the Club“ begrüßt, geformt durch einen an die Wand gespannten elektrischen Weidezaun, der sich fast über die gesamte Höhe des Raumes erstreckt. Der einladende Satz steht dabei stark im Kontrast zu dem verwandten Material und seiner inhärenten Gefahr, den unvorsichtigen Besucher*innen der Ausstellung einen elektrischen Schlag zu verpassen. Das von Bruno Latour stammende Zitat aus seinem Buch Das terrestrische Manifest verweist auf die sozialen und ökologischen Spannungen unserer Zeit: Im Zeitalter des Klimawandels verschieben sich die Grenzen dessen, was „Zugehörigkeit“ zu einem Territorium bedeutet. Das scheinbar einladende „Welcome“ enthält eine scharfe Ironie: ein Club ist exklusiv und schließt Außenstehende aus – das liegt in der Natur eines Clubs. So wird das Werk zu einem Kommentar über die ambivalente Gastfreundschaft und die Ängste vor dem Verlust des eigenen Raums in einer zunehmend globalisierten und ökologisch belasteten Welt. „Welcome“ gilt nicht für jede/n und sicher nicht für jede/n gleich.
In Aluminium gegossene, auf Hochglanz polierte Spiralen schrauben sich in die Wände der Galerie: mit dem Titel der Installation Drill Baby Drill greift Burger einen provokanten Slogan der US-amerikanischen Republikanischen Partei auf, der für die rücksichtslosen Praktiken des Frackings steht. Der Aufruf „Drill Baby Drill“ steht dabei symbolisch für die Ausbeutung der Erde, bei der jeder Tropfen Ressourcen erbohrt werden soll – ein Sinnbild für die Macht, die sich Menschen über die Natur anmaßen. Burger erweitert das Machtmotiv über die Darstellung von Bohrern hinaus durch die Kombination mit einem weiteren, vieldeutigen Symbol: den Anzug-Gürtel, der die Dominanz des (zumeist männlichen) Entscheidungsträgers verkörpert. Überdies spielt Burger auch mit der Zweideutigkeit des Gürtels als Instrument der Bestrafung und als Suggestion für sexuelle Handlungen. Das polierte Material in seiner attraktiven Ästhetik und die Schaffung eines kapitalisierbaren Produkts stehen entsprechend in Widerspruch zu der den Arbeiten inhärenten kritischen Auseinandersetzung mit patriarchalen Strukturen.
Ebenfalls im ersten Raum der Galerie setzt Burger ihre Beschäftigung mit der Frage nach Macht und Hierarchie – und damit verbunden: dem Ausschluss aus einer Peergroup, in der nur wenige willkommen geheißen werden – in der Werkserie Top Dog fort. Dazu spannt sie marine- und königblauen Anzugstoff, dem sie scharfe Bügelfalten eingebügelt hat, auf Leinwände. Der Anzugstoff, der zugleich Symbol für Autorität, für die Zugehörigkeit zu bestimmten „Clubs“ und für die Einhegung von Individualität ist, vermittelt die disziplinierte Fassade einer von Männern dominierten Hierarchie. Ergänzt wird diese visuelle Inszenierung durch angesprühtes männliches Parfum, das olfaktorische Erfahrungen auslöst. Der Titel Top Dog, inspiriert von Urs Widmers gleichnamigem Theaterstück, greift die doppeldeutige Rolle des „Topdog“ als dominante Figur und gleichzeitig als devoter „Hund“ auf. Burger schafft damit ein Spannungsfeld zwischen Machtausübung und Unterwerfung.
Burgers Videoinstallation The World As A Phantom gewann in diesem Jahr den 78. Internationalen Bergischen Kunstpreis, wir zeigen sie im zweiten Raum der Ausstellung. Das genreübergreifende Filmprojekt beleuchtet die Autorität, die von Technologie ausgeht, und wie sie soziale Werte und Normen formen kann. In ihrer Arbeit entwirft Burger das Bild einer dystopischen Realität, in der die Ablehnung der Nutzung von Technologie als gesellschaftlich inakzeptabel und sogar verboten gilt. Zugleich stellt Burger die Grenzen zwischen Realität und Fiktion in digitalen Technologien in Frage. Durch die Verschmelzung dokumentarischer Elemente mit (Wissenschafts-)Fiktion und der Integration von KI-generierten Inhalten lädt The World As A Phantom den Zuschauer dazu ein, sich kritisch mit zeitgenössischen gesellschaftlichen Fragen und dem sich wandelnden Verhältnis zwischen Technologie und menschlicher Wahrnehmung auseinanderzusetzen.
Die Installation Wer dies nicht kann, kriegt keinen Mann im letzten Raum thematisiert die komplexen Wechselwirkungen zwischen Technologie und Geschlechterrollen. Ein Zeichenroboter, befestigt auf einem blauen Kindertisch, zeichnet kontinuierlich mit Wachsmalkreiden das „Haus vom Nikolaus“ auf ein Blatt Papier. Die titelgebende Alternative zum Nikolaus-Reim verdeutlicht, wie bereits in der frühen Kindheit bestimmte Anforderungen an das weibliche Geschlecht verankert werden. Und die Installation zeigt auch, wie entsprechende stereotype Kodierungen (in der Regel, bzw. überwiegend von Männern) in digitale Instrumente eingeschrieben werden (können), so dass bestehende Diskriminierungen kulturell fortgeschrieben werden, trotz der sich gewandelt habenden Technik.
Das Selbstportrait im Badezimmer spielt genau auf solche Anforderungen und auch auf das, was begrifflich als „male gaze“ gefasst wird, an. Es zeigt Enya Burger, wie sie sich, in ihrem Badezimmer sitzend, gerade die Haare blondiert und damit das vorhandene „Material“, ihre natürliche Haarfarbe, überschreibt. Die dabei eingenommene Pose erinnert an Szenen aus Filmen aus den 1950er und 1960er Jahren in denen Frauen, als das „schwache Geschlecht“ dargestellt wurden. Aber genau diese Rolle, die Frauen zum Beispiel in der Werbung mit infamen Sätzen wie „was zieh’ ich heute an, was koch’ ich meinem Mann“ zugeschrieben wurde, nimmt Enya Burger natürlich nicht ein, sie ironisiert, bzw. bricht sie vielmehr.
Die drei T-Pose-Zeichnungen zeigen aus unterschiedlichen Perspektiven, aber stets von unten, eine digitale, stark überzeichnete Frauenfigur. Die Figuren sind im Stil eines Mesh-Modells gezeichnet, das zur digitalen 3D-Darstellung von Objekten dient und unter anderem bei der Programmierung von Computerspielen zum Einsatz kommt. Weibliche Körper werden in diesem Kontext oft stark sexualisiert und unrealistisch geformt, so dass sie zum Beispiel durch eine zu schmale Taille, die keinen Platz für Organe bietet, im analogen Leben nicht lebensfähig wären. Burger zeichnet die Mesh-Figuren mit Lackstift auf Mauspad; sie stehen für die digitale Verfügbarkeit des weiblichen Körpers und für seine männlich dominierte Konstruktion, die – bildhaft gesehen – in dem Millimeterpapier, auf das das Mauspad aufgebracht ist, ihren Niederschlag findet.
Genausowenig wie Burger diese Sicht gutheißt, beschränkt sie „Frau“-sein auf das Dasein als Container. So suggeriert es aber die konventionelle Terminologie der Elektronik, wo „weiblich“ und „männlich“ für den vorstehenden Mittelleiter bzw. – als Gegenstück dazu – die sich darum herum befindende Hülse verwendet wird. Die vier Schuko-Steckdosen, die von Burger unter den Titel Vier weibliche Akte gefasst werden und im Quadrat in einem Objektrahmen installiert sind, dienen also der kritischen Reflexion nicht nur der Terminologie, sondern auch der überkommenen Vorstellungen von Weiblichkeit.
Wir zeigen in Welcome to the Club einen ganzen Kosmos sehr unterschiedlich erscheinender, von Burger geschaffener Objekte. Sie stehen alle für eine bewusste und kritisch-analytische Haltung und Sicht auf die Welt und für eine Auseinandersetzung mit technologischen Entwicklungen, die eben nicht neutral sind, sondern von den Werten und Perspektiven derjenigen geprägt werden, die sie programmieren. Burger fragt, welche sozialen und geschlechtsspezifischen Normen in die Programmierung von Technologien einfließen? Und wie diese Normen wiederum die (digitalen) Endprodukte, die in unserem Alltag verwendet werden, beeinflussen? Von Readymades sind ihre Werke dabei weit entfernt. Die inhaltliche Überhöhung durch ästhetische Verfremdungen von Alltagsobjekten ist vielmehr allen Arbeiten eingeschrieben.
Welcome to the Club is our first exhibition with Enya Burger. Burger (*1996, lives and works in Düsseldorf) graduated from Kunstakademie Düsseldorf in the summer of 2024 in the class of Prof. Gregor Schneider. She previously studied with Prof. Marcel Odenbach, who awarded her the title “Meister” in 2021.
In her work, Enya Burger deals intensely with power structures in politics, economy and digitality. In her visual language, she alienates insignia of power and thus brings complex issues to a visual point in a critical and analytical way. She also analyzes the structures underlying the production of digital technologies, which are often perceived as neutral and “genderless”. Burger works in an interdisciplinary way with installations, video, photography and (digital) drawing.
In the first room of the exhibition, visitors are greeted with the words “Welcome to the Club”, formed by an electric pasture fence stretched along the wall, which extends almost over the entire height of the room. The inviting sentence stands in stark contrast to the material used and its inherent danger of electrocuting careless visitors to the exhibition. The quote from Bruno Latour’s book The Terrestrial Manifesto refers to the social and ecological tensions of our time: in the age of climate change, the boundaries of what “belonging” to a territory means are shifting. The seemingly inviting “Welcome” contains a sharp irony: a club is exclusive and excludes outsiders – that is the nature of a club. The work thus becomes a commentary on ambivalent hospitality and the fear of losing one’s own space in an increasingly globalized and ecologically polluted world. “Welcome” applies not to everyone and certainly not to everyone in the same way.
Spirals cast in aluminum and polished to a high-gloss finish screw themselves into the walls of the gallery: with the title of the installation Drill Baby Drill, Burger takes up a provocative slogan of the US Republican Party, which stands for the ruthless practices of fracking. The slogan “Drill Baby Drill” is symbolic of the exploitation of the earth, in which every drop of resources is to be extracted – a symbol of the power that humans assume over nature. Burger extends the power motif beyond the depiction of drills by combining it with another ambiguous symbol: the suit belt, which embodies the dominance of the (usually male) decision-maker. Moreover, Burger also plays with the ambiguity of the belt as an instrument of punishment and as a suggestion for sexual acts. The polished material with its attractive aesthetics and the creation of a product, that can be capitalized on, thus contradict the critical examination of patriarchal structures inherent in the works.
Another of Burger’s works in the first room of the gallery, Top Dog, continues her exploration of power and hierarchy – and the associated exclusion from a peer group in which only a few are welcomed. To this end, she stretches navy and royal blue suit fabric, into which she has ironed sharp creases, onto canvases. The suit fabric, which is also a symbol of authority, of belonging to certain “clubs” and of the containment of individuality, conveys the disciplined façade of a male-dominated hierarchy. This visual staging is complemented by sprayed male perfume, which triggers olfactory experiences. The title Top Dog, inspired by Urs Widmer’s play of the same name, picks up on the ambiguous role of the “Topdog” as both a dominant figure and a submissive “dog”. Burger thus creates a field of tension between the exercise of power and submission.
Burger’s video installation The World As A Phantom won the 78th Internationale Bergischer Kunstpreis this year and we are showing it in the second room of the exhibition. The cross-genre film project sheds light on the authority emanating from technology and how it can shape social values and norms. In her work Burger creates the image of a dystopian reality in which the rejection of the use of technology is considered socially unacceptable and even forbidden. At the same time, Burger questions the boundaries between reality and fiction in digital technologies. By merging documentary elements with (scientific) fiction and integrating AI-generated content, The World As A Phantom invites the viewer to critically examine contemporary social issues and the changing relationship between technology and human perception.
The installation Wer dies nicht kann, kriegt keinen Mann (“If you can’t do this, you can’t get a husband”) in the last room addresses the complex interactions between technology and gender roles. A drawing robot, attached to a blue children’s table, continuously draws the “Haus vom Nikolaus (House of St. Nicholas)” on a sheet of paper with wax crayons. The title-giving alternative to the Santa Claus rhyme illustrates how certain demands on the female gender are already anchored in early childhood. The installation also shows how corresponding stereotypical coding (usually or predominantly by men) is (or can be) inscribed in digital instruments, so that existing discrimination is culturally perpetuated, despite the changes in technology.
The self-portrait in the bathroom alludes precisely to such requirements and also to what is conceptually definedas “male gaze”. It shows Enya Burger sitting in her bathroom, bleaching her hair blonde and thus overwriting the existing “material”, her natural hair color. The pose she assumes is reminiscent of scenes from films from the 1950s and 1960s in which women were portrayed as the “weaker sex”. But it is precisely this role, which was ascribed to women in advertising with infamous phrases such as “what do I wear today, what do I cook for my husband”, that Enya Burger naturally does not take on, rather she ironizes or breaks it.
The three T-Pose-drawings show a digital, heavily exaggerated female figure from different perspectives, but always from below. The figures are drawn in the style of a mesh model, which is used for the digital 3D representation of objects and is used in the programming of computer games, among other things. In this context, female bodies are often highly sexualized and unrealistically shaped so that they would not be viable in analogue life, for example due to a waist that is too narrow and offers no space for organs. Burger draws the mesh figures on mousepads with a lacquer pencil; they stand for the digital availability of the female body and for its male-dominated construction, which – figuratively speaking – is reflected in the graph paper on which the mousepad is applied.
Just as Burger does not approve of this view, she does not limit “womanhood” to being a container. However, this is what the conventional terminology of electronics suggests, where “female” and “male” are used for the protruding center conductor or – as its counterpart – the sleeve around it. The four sockets, which Burger has titled Four Female Nudes and installed in a square in an object frame, thus serve to critically reflect not only on terminology, but also on traditional notions of femininity.
In Welcome to the Club, we are showing a whole cosmos of very different-looking objects created by Burger. They all stand for a conscious and critical-analytical attitude and view of the world and for an examination of technological developments that are not neutral, but are shaped by the values and perspectives of those who program them. Burger asks which social and gender-specific norms flow into the programming of technologies? And how these norms in turn influence the (digital) end products that are used in our everyday lives? Her works are far removed from readymades. Instead, the elevation of content through the aesthetic alienation of everyday objects is inscribed in all the works.