Ignacio Uriarte
Writing Drawings

 

April 12 – June 28, 2014

Wir freuen uns sehr am 11. April 2014 um 19.00 Uhr die Ausstellung Writing Drawings von Ignacio Uriarte zu eröffnen.

Sprachen, Zeichen, Schrift, semantische Systeme, Wörter und Texte sind seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts ein fester Bestandteil der zeitgenössischen Kunst. Soeben ist in der Städtischen Galerie Karlsruhe die große Ausstellung Zeichen, Sprache, Bilder – Schrift in der Kunst seit den 1960er Jahren zu Ende gegangen, die an Hand der Werke von über 70 Künstlern dokumentiert wie häufig aber auch wie unterschiedlich mit dem Thema umgegangen wurde.

Writing Drawings, der Titel der ersten Einzelausstellung Ignacio Uriartes (*1973, Krefeld) in Köln gibt bereits einen Hinweis auf die Bedeutung des Schreibens für das Werk und die Ausstellung des deutsch-spanischen Künstlers. Schlägt man die relevanten Begriffe im Duden nach, so findet man unter dem Begriff “Schreiben” die Definition: Schriftzeichen, Buchstaben, Ziffern, Noten o. Ä. in einer bestimmten lesbaren Folge mit einem Schreibgerät auf einer Unterlage, meist Papier, aufzeichnen oder in einen Computer eingeben. Bei dem Begriff “Zeichnen” findet sich: Das Verfahren der Darstellung eines künstlerischen Ausdrucks.

Betrachtet man die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten wird einem bewusst, dass Uriarte zwar ähnlich wie mit einer Schrift in Zeichensystemen arbeitet, seine Arbeiten aber anders als eine Schrift nicht auf Lesbarkeit sondern auf Zeichnungen abzielen, deren Semantik nicht in der spezifischen Abfolge lesbarer Einzelzeichen erkennbar ist, sondern auf die Lesbarmachung des ihnen selbst zugrundeliegenden Systems in der Gesamtschau aller Zeichen abzielt. Bezieht sich in der Definition des Dudens die Lesbarkeit also auf die Abfolge der Zeichen reduziert Uriarte sein Schreiben auf das repetitive Aufzeichnen oder auch Eingeben von Zeichen innerhalb eines Systems.

So folgt jede Zeichnung in unserer Ausstellung einem eigenen System, das sie von den anderen Zeichnungen in der Ausstellung unterscheidet. In der vierteiligen Zeichnung Dot Grid zeigt Uriarte zum Beispiel schwarze Tuschepunkte, die er von Hand in einer gleichmäßigen Gitterstruktur auf vier 140 x 100 cm große Papierbögen getropft hat. Dabei zeigt er auf jedem Blatt eine Gitterstruktur, deren einzelnen Waben verschiedene Seitenlängen aufweisen, so dass zwei der Zeichnungen Muster von Quadraten unterschiedlicher Größe erkennen lassen und auf zwei Zeichnungen verschiedene Rechteckmuster entstanden sind, die das Blatt einmal horizontal und ein Mal vertikal strukturieren.

In der Arbeit Linealstrichstrukturverlauf, einer 24-teiligen Zeichnungsserie mit schwarzen, mit einem Lineal gezogenen, Linien entfaltet sich die Dynamik der Zeichnung nicht durch die variierenden Abstände der Zeichen, sondern durch ihre Verdichtung von oben nach unten. Sind im oberen Bereich der als Block in einem Rahmen montierten Einzelblätter die einzelnen Striche als solche erkennbar, verdichten sie sich im unteren Bereich zu einer fast geschlossenen monochromen Fläche. Das Ausgangszeichen, die gerade Linie, verliert durch die Akkumulation in zunehmendem Maße seine respektive ihre originäre Eigenschaft als ordnende Struktur.

Wie man an diesen Beispielen nachvollziehen kann, lenkt die Bedeutungsleere des Einzelzeichens den Fokus der Betrachtung von dem Verstehen-Wollen einer Zeichenkombination hin zum Entstehungsprozess des Zeichnens. Genauer gesagt auf die temporale und somatische Relation von Autor und Zeichnung. Jede von Hand gezogene Linie ist auch Zeugnis einer bewussten oder auch unbewussten Handlung innerhalb eines Zeitverlaufs. Insbesondere Zeichnungen, in denen sich die Einzelzeichen selbst wiederholen legen natürlich den Bezug zur Zeitlichkeit nahe. Sich wiederholende Zeichen werden gerne, insbesondere wenn sie unbestimmt sind, auch als subjektive Zeiteinheiten gelesen. (Man denke hier zum Beispiel an den Graf von Montechristo, der in seiner Zelle für jeden vergangenen Tag einen Strich an die Wand kratzt.) Betrachtet man die zwei oben beschriebenen Zeichnungen unter diesem Gesichtspunkt, so lässt sich das regelmäßige Tropfen der Tinte auf das Papier in Dot Grid als expansive zeitliche Struktur beschreiben. Die Verdichtung der Linien hingegen in Linealstrichstrukturverlauf beschreibt eher eine Akkumulation von Zeiteinheiten ohne räumliche Ausdehnung, mit der man vielleicht auch die Akkumulation von Zeiteinheiten in der subjektiven Erinnerung beschreiben könnte.

Neben der Lesbarkeit einer Zeichnung als zeitlicher Struktur, steht jede Zeichnung auch in einem Verhältnis zum Körper des Autors. Lässt sich eine abstrakte Linie wie in Linealstrichstrukturverlauf zunächst nur als Zeugnis einer abstrakten körperlichen Handlung lesen, gibt es zahlreiche Arbeiten im Werk von Uriarte, die Zeichen verwenden, die in direktem Bezug zu dem Körper des Künstlers stehen. Besonders deutlich wird diese Verbindung zum Beispiel in den Handgelenkszeichnungen von 2012, in der sich ca. 7 cm lange gleichförmigen Bögen in parallelen Linien von oben nach unten über das Papier ausbreiten. Die leichte Krümmung der Bögen resultiert hier aus der natürlichen Bewegung des Handgelenks bei einer auf dem Papier aufliegenden Hand, die eine Linie zeichnet. Ein anderes Beispiel für die somatische Lesbarkeit der Zeichnungen ist die Arbeit Dot Circle, die wir auch in unserer Ausstellung in Köln zeigen. Auf einem 140 x 100 cm großen Papier hat Uriarte einen Kreis aus Tintenklecksen in verschiedener Größe getropft. Die Größe der Tropfen lässt hier Rückschlüsse auf den räumlichen Abstand des Künstlers zum Blatt ziehen.

Uriarte ist durch Arbeiten bekannt geworden, für die er Utensilien aus der banalen Welt des Büroalltags benutzt. Durch Wiederholungen von beiläufigen Gesten und durch die Dekontextualisierung der verwendeten Materialien entstehen Werke, die sich formal und inhaltlich auf die Minimal Art und Konzeptkunst der 1960er und ’70er Jahre beziehen. Neben Zeichnungen umfasst sein Werk auch Installationen, Videos und Soundarbeiten. In den letzten Jahren wurden seine Arbeiten in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen international gewürdigt. Seine Werke befinden sich in u.a. in den Sammlungen der Berlinischen Galerie, Berlin, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Berlin, der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München und des Museum Ludwig in Köln. Aktuell wird er im Lenbachhaus in München in der Gruppenausstellung Playtime gezeigt und am 3. Mai 2014 präsentiert die Berlinische Galerie eine neue Soundarbeit von Uriarte in Rahmen des Gallery Weekends.

We are proud to announce the opening of Writing Drawings, our upcoming exhibition with Ignacio Uriarte on April 11, 2014 at 7 pm.

Language, characters, types, semantic systems, words, and texts are a regular feature in contemporary art. In Karlsruhe’s Städtische Galerie just ended the large exhibition Zeichen, Sprache, Bilder – Schrift in der Kunst seit den 1960er Jahren, that documented with examples by more than 70 artists how much, but also in how many different approaches artists dealt with this topic.

Writing Drawings, the title of Uriarte’s exhibition, provides already an indication for the significance of writing for his œuvre and for this particular exhibition of the German-Spanish artist. If one is looking up the relevant terms in a dictionary, one finds the term “writing” defined as: to note characters, ideographs, digits, notes or something similar with a writing utensil in a certain readable order on a pad, normally paper or to type in a personal computer. For the term to “draw” one finds: the procedure of the depiction of an artistic expression.

Considering the works exhibited in the exhibition one realizes, that Uriarte works with semiotic systems similar to a script. However, different to a script, his works do not aim for readability in the sense of creating a specific sequence of readable and understandable characters within a semantic system. He is rather aiming to do drawings that are detectable within their own constituting system in the overall picture of all signs. While the definition of the dictionary refers to the readability of the sequences of characters, Uriarte reduces his writing to registering or typing in repetitively redundant signs of the same system.

In our exhibition each drawing is made according to its own system, which distinguishes it from the other drawings on show. For instance, in the four-part drawing Dot Grid Uriarte shows dots of black ink, which he dropped by hand on four 140 x 100 cm sized sheets of paper in a regular structure of four varying grids. Due to the different side lengths of the rectangles on two papers appear patterns of squares in two different sizes and on the other two papers can be seen oblong rectangles, which structure the sheets horizontally respectively vertically.

In the work Linealstrichstrukturverlauf a set of 24 sheets of paper in one frame with black lines drawn with a ruler, the dynamic of the series does not evolve by the varying spacing of the individual lines, but by their agglomeration from the upper to the lower parts of the work: While on the upper sheets the single lines are recognizable as such, they agglomerate in the lower parts to an almost closed, monochromatic field. Through this agglomeration the original sign of the straight line looses progressively it’s primal quality as a structuring form.

With these examples it might be comprehensible, that the lack of meaning of the single signs guides the focus of our observation away from the understanding of a combination of signs towards the process of their origination or – put another way – towards the temporal and somatic relation of the author and the drawing. Each line drawn by hand is above all a proof of a conscious or unconscious act within the process of time. Especially drawings in which individual signs are repeated suggest a certain relation to temporality. Repetitive signs are readily understood – especially if they are not defined – as subjective units of time. Like the Count of Montechristo was counting the days in his cell by drawing lines on the wall.

If you look to the two sets of drawings described from this point of view, the regular dripping of the drops of ink in Dot Grid can be described as an expansive, temporal structure. Opposite to this the agglomeration of lines in Linealstrichstrukturverlauf describes rather an accumulation of time units without spatial expanse, with which one can also describe the accumulation of time unites within subjective memory.

Apart from the readability of a drawing as a temporal structure, each drawing is in general related to the body of the author. While an abstract line like in Linealstrichstrukturverlauf is read initially as a trace of an abstract physical act, in quite a few of his works Uriarte uses signs, that are immediately related to his body.

This relation becomes particularly visible in the two Handgelenkszeichnungen of 2012, in which approx. 7 cm long curves spread out in parallel lines from above to the bottom of two sheets of paper. The slight bending of the line is a result of the natural movement of the wrist, when the hand drawing the lines lies on the paper.

Another example for the somatic legibility of his drawings is the Dot Circle, which will be also on view in our exhibition in Cologne: here Uriarte dripped a circle of ink drops in varying sizes on a sheet of paper of 140 x 100 cm. One can draw inferences from the varying diameter of the drops to the physical distance of the artist to the surface of the paper. Uriarte got known to a wider public by using utensils from the banal world of our daily office life. By repeating casual gestures and by decontextualizing the used materials he generates works that refer formal- and content-wise to the Minimal and Conceptual Art of the ’60s and ’70s.

Apart from drawings Uriarte works in videos, sound pieces, and installations. In the last years he was shown internationally in numerous solo and group exhibitions. His works were acquired by many public institutions like in Germany the collection of the Berlinische Galerie, Berlin, Kupferstich Kabinett der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Berlin, Städtische Galerie im Lenbachhaus in Munich and Museum Ludwig in Cologne. Currently his work is on display at the Lenbachhaus in Munich in the groupshow Playtime and on May 3, 2014, during the Gallery Weekend, the Berlinische Galerie in Berlin presents his newest soundpiece.