Straight Flush
A group exhibition with the gallery’s artists

June 3 – August 26, 2023

Nach 17 Jahren in der Aachener Straße sind wir in die Gertrudenstraße 24–26 in 50667 Köln gezogen und beginnen somit ein neues Kapitel für unsere Galerie. Zu diesem Anlass vereinen wir zum ersten Mal in einer Ausstellung alle Künstler:innen, die von uns vertreten werden und welche in unterschiedlichen Medien – Malerei, Zeichnung, Skulptur, Fotografie, Video und Installation – arbeiten. Die Werke einiger der Künstler:innen sind von politischen und soziologischen Themen geprägt. Andere Künstler:innen reflektieren in ihren Werken die Bedingungen und Definitionen ihrer Arbeit und der von ihnen verwendeten Medien. In Straight Flush lassen sich die beiden Ansätze, die unser Galerieprogramm leiten und die sich natürlich auch überschneiden, gleichermaßen erleben.

Zentral für die Arbeiten von Silke Albrecht (*1986 in Soest, lebt und arbeitet in Düsseldorf) ist die Auseinandersetzung mit malerischen Prozessen und vielfältigen Techniken, mit Bild-, Abbildungs- und Bedeutungsfunktionen im Rahmen von Malerei – wahlweise figurativ oder abstrakt. Bei ihren Werken handelt es sich nicht um allein mit dem Pinsel auf Leinwand gemalte Formen und Farben. Vielmehr arbeitet Albrecht u.a. auch mit Mitteln der Collage, der Assemblage sowie des Nähens und Stickens. Sie schüttet, sie wischt, sie zeichnet auf die Leinwand und bringt sich weniger als distanzierte Darstellende, sondern vielmehr als aktive Akteurin in den Prozess der Bildschaffung ein. Durch ihre Stickereien integriert Albrecht in ihren abstrakten Werken regelmäßig figurative Darstellungen, die auf Inhalte verweisen, die für sie in dem bestimmten Moment der Entstehung der Werke eine Rolle spielten. Diese figurativen Darstellungen und autobiografische Aufarbeitung finden sich ebenso in ihren Tuschezeichnungen wieder.

Als Ausgangspunkt für seine Gemälde dienen Koen van den Broek (*1973 in Bree, Belgien, lebt und arbeitet in Antwerpen) oft Fotografien von Land und Stadtansichten, deren Komposition er im Grunde unverändert in die Malerei überträgt. Mit Bordsteinkanten, Straßenecken oder extrem nah herangezoomten Details wählt der Künstler bewusst belanglose Orte als Sujet seiner Arbeiten aus. Indem van den Broek kaum narrative Elemente zulässt, lenkt er den Blick des Betrachters auf die malerischen Aspekte seiner Arbeiten – die Farbauswahl, den Pinselstrich, den gemalten Raum gegenüber der Flachheit der Leinwand und die Komposition, die sich entstehungsbedingt auf einen konkreten Augenblick bezog und maßgeblich von der fotografischen Perspektive beeinflusst war. Der Titel der Arbeit Blinds #6 bezieht sich auf die Jalousien eines Motels in den USA, durch die van den Broek ein gegenüberliegendes Gebäude fotografiert hatte. Erst der Hinweis durch den Bildtitel lässt die Betrachtenden das Dargestellte erkennen – dann aber klar und deutlich. Für den Künstler ist dieses Spiel mit dem Verhältnis von Figuration und Abstraktion typisch. Viele seiner Werke wirken wie abstrakte Gemälde, es sind aber fast immer direkte Abbildungen seiner fotografischen Vorlagen, die ihrerseits Abbildungen von Realität sind. Gleiches gilt für die Arbeit Water #1, hier fängt van den Broek den Blick in eine Pfütze ein, die den blauen Himmel mit Wolken und eine Straßenlaterne reflektiert.

In seinen Gemälden, Skulpturen und Installationen legt Cody Choi (*1961 in Seoul, lebt und arbeitet in Seoul) das Hauptaugenmerk auf die Konflikte zwischen unterschiedlichen Kulturen und kulturellen Hybriden unseres Zeitalters sowie den daraus entstehenden, sich ständig (re-)produzierenden sozialen Phänomenen. Dieses Interesse erklärt sich mit seiner Biografie. In Südkorea geboren und aufgewachsen, musste Choi mit Anfang 20 mit seiner Familie die Heimat aus politischen Gründen verlassen und fand sich als junger Erwachsener in einem USA wieder, welches er angesichts der kulturellen Differenzen als einen Ort des Chaos und der Frustration erlebte. Zehn Jahre später kehrte Choi zurück in ein stark verändertes Südkorea, wird dort als „Amerikaner“ angesehen und merkt, dass er sich in keiner der beiden Kulturen vollständig beheimatet fühlt. Die Werke aus der Serie Noblesse Hybridige bringen Chois kulturelle sowie ästhetische Hybridisierung zum Ausdruck. Er mischt Blattwerk aus europäischen Rokoko-Gemälden mit Naturmotiven des traditionellen, koreanischen Sagunja-Stils. Auch auf Produktionsebene bedient er sich Techniken verschiedener Herkunft: westliche digitale Technologien, Drucktechniken und Ölmalerei auf der einen Seite und traditionell-koreanische Sagunja-Malerei auf der anderen.

Martin Gerwers (*1963, lebt und arbeitet in Düsseldorf) Werke bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Malerei, Skulptur und Relief. Mit ihnen untersucht er, kurz gesagt, das Verhältnis von Farbe und Raum. In ihrer Vielansichtigkeit werden die raumgreifenden Malereien und Skulpturen für den Betrachter erst dann vollständig erfahrbar, wenn er aktiv um die mehrfarbigen Objekte schreitet. So ergibt sich – je nach Betrachterstandpunkt – eine Vielzahl von Seheindrücken. Während direkt auf Räume bezogene Werke ein Wechselspiel zwischen Wahrnehmung der Skulptur und Wahrnehmung des Betrachters im Raum spielen, zeigen uns die Arbeiten des Künstlers, wie wenig wir uns darauf verlassen können, eine Erscheinungsform im Nu erkennen oder gar definieren zu können. Jede Bewegung des Betrachters um ein solches Objekt herum führt zwangsläufig und mit großen Überraschungseffekten zu bisweilen totalen Veränderungen der Erscheinung.

Nic Hess (*1968, lebt in Zürich) wurde seit den späten 1990er Jahren bekannt durch Installationen, mit denen er mit Industriefarbe, collagierten Bildern und farbigen Tapes, Lichtprojektionen und Neon nicht nur Wände und Decken, sondern ganze Räume geistig und faktisch in Besitz nahm. Diese (Raum)-Collagen basieren auf einem Archiv von hunderten von Folien mit den unterschiedlichsten kommerziellen Logos, Piktogrammen, Abbildungen von Meisterwerken der Kunstgeschichte, sowie politischer wie auch wirtschaftlicher Ikonen. Hess spielt dabei Musik aus einer globalen, piktoralen Partitur. Seine Notation sind archivierte Bilder, die er in den vergangenen 25 Jahren gesammelt hat. Bilder, die willkürlich und bedeutsam zugleich erscheinen. Bilder, die wir nicht kennen und doch kennen, weil wir alle mit einem inneren Archiv von einmal gesehenen Ikonen, Symbolen, Logos, Emblemen und Emoticons in einer Welt leben, in der die linguistische Kommunikation von einer Bildsprache verdrängt wird. Hess inszeniert dieses universale Archiv aus Bildern zu einem Rhythmus aus Leere und Verdichtung. Die Werke sind die Momente im Verlauf der Melodie, in denen sich die einfache, schwarze Linie – der Beginn jeder Zeichnung – in der Aggregation bildhafter Informationen verdichtet und Bedeutungen annimmt, die jenseits der bekannten Lesart der Zeichen stehen.

Markus Huemer (*1968 in Linz, lebt und arbeitet in Berlin) arbeitet mit den Medien Malerei und Zeichnung ebenso wie er interaktive Installationen, Environments oder Computeranimationen schafft. In den Gemälden dieser Ausstellung bildet er scheinbar Pflanzen – konkret handelt es sich um Hopfenpflanzen – ab. Wir schreiben „scheinbar“, weil tatsächlich die Pflanzen so nicht wachsen. Ihre Abbildungen beruhen auf digitalen Collagen von Bildern solcher Hopfenpflanzen, die Huemer im Internet gefunden und zu neuen Kompositionen verarbeitet hat. Er spielt also ein Spiel von suggerierter Abbildungsfunktion, die er der Malerei unterstellt, und dem Unterlaufen dieser Abbildungsfunktion. Kunsthistorisch vorgebildete Betrachter sehen in den Girlanden, in denen er die Hopfenpflanzen über die Leinwand gelegt hat, Parallelen zu Raffael Sanzios Grotesken im Vatikan. Auch hier dekorative Darstellungen von Pflanzen, die ganz sicher keine Abbildungen sind. Damit einher gehen Titel, die absurd, unlogisch und schräg sind und keinen Bezug zu dem (scheinbar) Abgebildeten haben. Diese Titel unterstreichen die nicht vorhandene Funktion der Arbeit als Werkzeug zur Abbildung der Realität.

Während die klassische Idee des Malens durch das händische Auftragen von flüssiger Farbe auf eine meist rechteckig begrenzte Fläche definiert wird, erweitert Jonas Maas (*1985 in Trier, lebt in Düsseldorf) auf radikale Weise das Spektrum der Möglichkeiten dessen, was unter dem Begriff „Malerei“ subsumiert werden kann. Er dekonstruiert das traditionelle Verhältnis von Bildträger und Bild, von flächigem Malgrund und Farbmaterial, indem er Träger, Farbe und Formen als gleichberechtigte Elemente eines Bildes der Malerei agieren lässt – als systemische Fragmentierung und fragmentarische Systematisierung zugleich. Maas setzt bei seinen Werken auf unkonventionelle Techniken: so arbeitet er auf Holz und Aluminium, nicht auf Leinwand. Auf seine Malgründe druckt er oft im UV-Druckverfahren Kompositionen, die in Bildverarbeitungsprogrammen am Computer entstanden sind; ansonsten trägt er die Farbe, abgesehen vom klassischen Pinsel, mit der Rolle oder dem Spachtel auf. Maas untersucht mit den Mitteln von Schematisierung und Störung, von visueller Überforderung und minimalistischer Reduktion, konkreten Verhältnissen und diffusen Zwischenräumen bzw. Leerstellen die Bedingungen und Möglichkeiten von spezifisch farbigen Strukturen im Raum.

Anna Malagridas (*1970 in Barcelona, lebt und arbeitet in Paris) Arbeiten (Videos und vor allem Fotografien) sind geprägt von ihrem großen Interesse an gesellschaftlichen und politischen Zusammenhängen. Sie verbindet formale Qualität, medien-konzeptuelle Überlegungen und kunsthistorische Bezüge mit einer großen Empathie für Menschen. So beschäftigt sich Malagrida in ihren Fotografien mit Fragen der kulturellen Identität, den Grenzen von Privatem und Öffentlichem, sowie den Autoritäts- und Machtverhältnissen in unserer zeitgenössischen Gesellschaft. Anlass für ihre Werke sind oft tagesaktuelle Ereignisse, die jedoch über die Tagesaktualität hinaus geltende Fragestellungen erörtern. Die Arbeit Rue Balard II stammt aus der Serie Vitrines (Escaparates), welche 2008–2010 im Zuge der Finanzkrise entstand, die zur Schließung von Geschäften auf der ganzen Welt führte. Gegenstand der Werke sind die Schaufenster von geschlossenen Pariser Geschäften, die weiß gestrichen wurden, um einen Blick in den leeren Innenraum zu verhindern. Malagrida fotografierte diese Schaufenster und fing so die Spuren des Malanstrichs ein sowie Reflexionen der Stadt. Die Spannungen der Stadt sind in diesen großformatigen Bildern (die Fotografien werden fast im Originalmaßstab reproduziert) in Form einer Abstraktion verkörpert.

Christof Mascher (*1979 in Hannover, lebt und arbeitet in Braunschweig) folgt nur scheinbar dem traditionellen Weg der erzählerischen Malerei. Zwar beschwören seine traumgleichen Gemälde fantastische Erzählungen herauf und kombinieren eine Sprache expressionistischer Zeichen mit illustrativen Details, zeitgenössischer Ikonografie und ahnungsvollen architektonischen Räumen. Es ist auch so, dass die Werke Beziehungen zu „primitiver” und „naiver” Kunst, zu den phantastischen Hybriden von Paul Klee und Hieronymus Bosch oder zu Emil Noldes expressivem Farbgebrauch aufweisen. Mascher schafft also Szenen mit unheimlichen, kargen und mehrdeutigen Räumen, die belebt sind von phantastischer Flora und Fauna und ätherischen Strukturen. Gleichwohl ist aber festzuhalten, dass Mascher seine Narrationen immer im Modus des „als ob“ festhält. Es sind Anspielungen auf die Geschichte der Menschheit und / oder der Welt: Krokodile, Monumente, Architekturen, Fahrzeuge, historisch wirkende Figuren und anderes sind Elemente, die seine Bilder bevölkern. Und durch die Art und Weise in der er diese Elemente in seinem Bildraum und auf der Bildoberfläche verteilt – der aus der Musik kommende Begriff des Pasticcios liegt nahe –, entwickelt er eine Geschichte (und unterläuft diese zugleich), wird also zum Geschichten-Erzähler. Während er uns aber diese Inhalte anbietet, die man meint, verstehen zu können, bewahrt er sich gleichzeitig Offenheit. Es gibt keine eindeutig lesbare „story line“, was immer man sieht, bleibt gebrochen, bleibt Anspielung und Assoziation.

In Yelena Popovas (*1978 in Ozersk, UdSSR, lebt und arbeitet in Nottingham) Werk geht es stets um gesellschaftlich-politische Inhalte, die sie nach ausführlicher Recherche der geschichtlichen Hintergründe und Kontexte in künstlerische Formen gießt. Entsprechend arbeitet sie mit ganz verschiedenen Medien: Videofilme, Skulpturen, Installationen, Computerperformances, Zeichnungen und Wandteppiche. Zu allen Werkgruppen entstehen auch Gemälde, die ihren ganz eigenen, jeweiligen Zusammenhang mit den übergeordneten Themen haben, obwohl es – wie es beim ersten Anschein aussieht – abstrakte, formal mit der russischen Moderne und dem Konstruktivismus zusammenhängende Werke sind. Popova verfolgt bei ihren Arbeiten weniger einen dokumentarischen Ansatz, vielmehr sucht sie eine ästhetisch überzeugende Form, um uns mit den Themen zu konfrontieren und Überlegungen anzuregen.

Arcangelo Sassolino (*1967 in Vicenza, wo er lebt und arbeitet) schafft Skulpturen, mit denen er reduzierte Prozesse und physikalische Phänomene wie Geschwindigkeit, Druck, Schwerkraft, Reibung und kontrollierte Gefahr sicht- und erfahrbar macht. Sassolino setzt seine Materialien direkter und unmittelbarer Krafteinwirkung aus. Kraft erlangt dadurch eine künstlerisch überformte Wahrnehmbarkeit (im Altgriechischen: aisthesis) als physische Größe. So funktionieren seine Arbeiten als neue Lösungen für Skulptur. Sassolinos Umgang mit Materialien und Formen bildet einen metaphorischen Spiegel für politisch-gesellschaftliche Gegebenheiten.

Florian Schmidt (*1980 in Raabs, Österreich, lebt und arbeitet in Berlin und Weimar) erstellt Bildkörper, mit denen er das Verhältnis von Raum, Material und Farbe erforscht. Das Resultat dieser Forschung sind zwei-, manchmal dreidimensionale Wandarbeiten und freistehende Skulpturen. Sein Bildaufbau steht oft in Bezug zum leeren Rahmen, innerhalb dessen einzelne Holzleisten Trägerkonstruktionen bilden, auf denen flachere Elemente angebracht sein können. Diese einzelnen Elemente verwendet Schmidt gleichberechtigt und ohne aus ihrer ursprünglichen Funktion eine Hierarchie abzuleiten. Tatsächlich geht Schmidt noch darüber hinaus. Er verwendet die verschiedenen Materialien nicht nur, ohne ihre ursprüngliche Funktion zu beachten, sondern versucht die Gestaltung der Werke aus den Materialien selbst abzuleiten, in dem er sich bei der Komposition seiner Arbeiten von den Formen der bereits vorhandenen Materialien und Farben leiten lässt. So offenbart sich Schmidts Arbeitsweise als ein Prozess der zyklischen Gedankenvertiefungen; als Kreislauf, in dem bestehende Werke in erneute Verbindung mit der Dynamik des Arbeitsprozesses treten, für den sich der Faktor der Wiederholung als entscheidend ausnimmt.

Corinna Schnitts (*1964 in Duisburg, lebt in Dortmund) Arbeit ist von ihrem großen Interesse an Menschen und ihren Zwischenbeziehungen, Einsamkeit oder Gemeinschaft, und den möglichen Hoffnungen und Träumen, die Menschen genauso haben, wie sie Schicksale erleiden, geprägt. Ihre Filme haben einen unaufgeregten, eigentümlich lakonischen Charakter, der uns als Betrachter:innen einerseits zum Lachen bringt, uns andererseits schwermütig machen kann. In der Videoarbeit Schönen, guten Tag verfolgen wir in Schwarz-Weiß-Bildern eine Mieterin – gespielt von Schnitt selbst –, welche wiederholt Anweisungen des Vermieterehepaares über einen Anrufbeantworter erhält und diese akribisch und zwanghaft ausführt. Eine imaginäre Bedrohung von Außen wird durch die Anrufe, welche Misstrauen und Ängste ausdrücken, suggeriert. Die gestreifte Kleidung der Protagonistin deutet auf ihre Stellung als „Insassin“ beziehungsweise Sträfling und unterstreicht die Isolation der Mieterin. Die Familienfotos zeigen Konstellationen und Inszenierungen von Personengruppen, die wir, auch ohne den Titel zu kennen, als klassische Familienbilder einordnen. Im Einzelnen sind die Bilder authentisch, wirken sehr normale und durchschnittlich. Erst bei genauerem Hinschauen sieht man, das eine Person (die Künstlerin) in jedem Foto ist und immer wieder eine neue Rolle in den „Familien“ einnimmt – als Mutter, Tochter, Schwester und Partnerin verschiedener Männer. Die Fotografien verlieren ihre Authentizität und so räumt Schnitt mit der Vorstellung auf, dass Familienbilder wirklich etwas über die tatsächlichen Beziehungen der Personen aussagen.

Javier Téllez (*1969 in Valencia, Venezuela, wohnt und arbeitet in New York) ist als Sohn zweier Psychotherapeuten auf dem Gelände einer Klinik für psychisch kranke Menschen und somit in einem sehr besonderen Umfeld aufgewachsen. Seine Filme befassen sich nicht nur sehr oft mit der Geschichte des Filmes oder des Theaters, sondern sie stellen regelmäßig in Frage, was stereotypisch unter Geisteskrankheit verstanden wird. Die Frage also, was Normalität ist und wie man „normal“ und vor allem „unnormal“ definieren kann, ist es, die Téllez antreibt. Im Film Oedipus Marshal aus 2006 setzte Téllez psychisch kranke Menschen als Schauspieler:innen ein und inszenierte das klassische Theaterstück von Sophokles, König Ödipus, als Westernfilm. Wie in klassischen Tragödien üblich, tragen die Schauspieler:innen Masken, in diesem Fall japanische. Das Angebot zur Reflexion umfasst nicht nur die Elemente der griechischen Tragödie, sondern auch die Frage nach dem (Geistes-)zustand der Schauspieler:innen, ihrer Krankheit, die auch ohne Maske nicht ohne weiteres äußerlich sichtbar ist, und der gesellschaftlichen Festlegung des Unnormalen im Allgemeinen. Aus dem Filmprojekt gingen 8 fotografische Diptychen (wovon wir vier zeigen) hervor, welche die Schauspieler in ihren Kostümen zeigen, jeweils mit und ohne Maske.

Rebecca Ann Tess‘ (*1980 in Annweiler am Trifels, lebt in Berlin) Werk kreist seit einigen Jahren im Wege der Fotografie und der Videoinstallation um Themen wie Architektur, Städtebau, Landschaft und wie wir uns als Menschen zueinander und zur Natur verhalten. Die Frage danach, wer welche Macht über wen ausübt und wie sich dies in unseren Städten und auch in unserer Natur zeigt, geht damit einher. Dies ist nur eine scheinbare Abkehr von den Themen, die Tess bislang beschäftigt haben: nämlich die Auseinandersetzung mit Film- und Fernsehgeschichte aus der besonderen Perspektive des Interesses an Gender-Topoi. Denn auch hier handelte es sich um Untersuchungen von Macht- und Unterdrückungsverhältnissen. Für das Projekt »2Dbody3Dcode« war Tess mit einem Wohnmobil in verschiedenen Regionen Spaniens unterwegs und fokussierte sich dabei auf die unmittelbare Erfahrung der Natur durch den eigenen Körper. Daraus sind Fotografien entstanden, bei denen die Künstlerin spezifische geometrische Formen in der Natur in den Blick nimmt und den Zusammenhängen zwischen Mustern in der Natur und computergenerierten Algorithmen nachgeht.

Ignacio Uriarte (*1972 in Krefeld, lebt in Berlin) ist durch Arbeiten bekannt geworden, für die er Utensilien aus der banalen Welt des Büroalltags benutzt. Durch Wiederholungen von beiläufigen Gesten und durch die Dekontextualisierung der verwendeten Materialien entstehen Werke, die sich formal und inhaltlich auf die Minimal Art und Konzeptkunst der 1960er und ’70er Jahre beziehen. Ausgangspunkt für die Arbeiten in unserer Ausstellung ist das Kritzeln – eine Tätigkeit die manche Menschen bei der Arbeit während eines Telefongesprächs oder einer Besprechung geistesabwesend auf ihrem Notizblock ausführen. Uriarte nutzt diese Handlung als Technik für seine Werke und bildet geometrische Formen. Die Banalität der ausgeführten Handlung kontrastiert mit der rationalen Optik, die Willkürlichkeit der einzelnen Linien durch das Gekritzel steht im Widerspruch zu den präzise angeordneten, strukturierten Formen.

Durch das Werk von Bas de Wit (*1977 in Budel, lebt und arbeitet in Maastricht) entfaltet sich eine eigentümliche Welt. Die Welt von de Wit ist eine Welt ohne Logik und Vernunft; ein clownesker Kommentar zur (Kunst-)Welt und eine Reflexion über die Unbestimmtheit des Lebens selbst. Das Leben, so der Künstler, muss gelebt werden, nicht rationalisiert. Bei den Skulpturen in unserer Ausstellung hat de Wit mit Abgüssen von antiken Skulpturen gearbeitet und diese wiederum verändert: verzerrt, gedehnt, gestaucht, gefärbt. Das Resultat sind die funny memories of… – „lustige Erinnerungen“, Zerrbilder von Kunstwerken, die eigentlich für Perfektion und Makellosigkeit stehen, nun aber von Verfall und Groteske gezeichnet sind.

After 17 years in Aachener Straße, we have moved to Gertrudenstraße 24-26 in 50667 Cologne, starting a new chapter for our gallery. For this occasion, we are bringing together for the first time in one exhibition all the artists we represent and who work in different media – painting, drawing, sculpture, photography, video and installation. The works of some of the artists are influenced by political and sociological themes. Other artists‘ work reflects the conditions and definitions of their art and the media they use. In Straight Flush, these two approaches, which guide our gallery program and which, of course, overlap, can be experienced in equal measure.

Crucial to the works of Silke Albrecht (*1986 in Soest, lives and works in Düsseldorf) is a preoccupation with painterly processes and diverse techniques, with pictorial, representational and signifying functions within the framework of painting – be it figurative or abstract. Her works are not simply forms and colors painted with a brush on canvas. Rather, Albrecht also works with means of collage, assemblage, sewing and embroidery, among others. She pours, she wipes, and she draws on the canvas, bringing herself into the process of image creation not so much as a distanced performer, but rather as an actor. Through her embroideries, Albrecht regularly integrates figurative representations into her abstract works that refer to content that played a role for her at the particular moment the works were created. These figurative representations and the autobiographical processing can also be found in her ink drawings.

As a starting point for his paintings Koen van den Broek (*1973 in Bree, Belgium, lives and works in Antwerp) frequently uses photographs of country and city views, whose composition he transfers basically unchanged into the painting. With curbs, street corners, or details zoomed in extremely close, the artist deliberately chooses inconsequential places as the subject of his works. By allowing hardly any narrative elements, van den Broek directs the viewer‘s gaze to the painterly aspects of his works – the choice of color, the brushstroke, the painted space versus the flatness of the canvas, and the composition, which, due to its genesis, related to a specific moment and was significantly influenced by the photographic perspective. The title of the work Blinds #6 refers to the blinds of a motel in the USA, through which van den Broek had photographed a building opposite. Only the reference through the title of the picture, lets the viewer recognize what is depicted – but then clearly and distinctly. This play with the relationship between figuration and abstraction is typical for the artist. Many of his works seem like abstract paintings, but they are almost always direct images of his photographic originals, which are themselves images of reality. The same applies to the work Water #1, here van den Broek captures the view into a puddle reflecting the blue sky with clouds and a street lamp.

In his paintings, sculptures and installations, Cody Choi (*1961 in Seoul, lives and works in Seoul) focuses on the conflicts between different cultures and cultural hybrids of our age, as well as the resulting, constantly (re)producing social phenomena. This interest is explained by his biography. Born and raised in South Korea, Choi was forced to leave his homeland with his family in his early 20s for political reasons, and as a young adult found himself in a U.S. that he experienced as a place of chaos and frustration in the face of cultural differences. Ten years later, Choi returned to a much-changed South Korea, where he is viewed as an “American” and realizes that he does not feel fully at home in either culture. The works from the Noblesse Hybridige series express Choi‘s cultural as well as aesthetic hybridization. He mixes foliage from European Rococo paintings with nature motifs from the traditional Korean Sagunja style. On the production level, he also uses techniques from different origins: Western digital technologies, printing techniques, and oil painting on the one hand, and traditional Korean sagunja painting on the other.

Martin Gerwer‘s (*1963, lives and works in Düsseldorf) works move in the field of tension between painting, sculpture and relief. With them he examines, in short, the relationship between color and space. In their multi-visuality, the expansive sculptures can only be fully experienced by the viewer when he actively walks around the multi-colored objects. Depending on the viewer‘s point of view, this results in a multitude of visual impressions. While works directly related to spaces play an interplay between perception of the sculpture and perception of the viewer in space, the artist‘s works show us how little we can rely on recognizing or even defining an appearance in an instant. Each movement of the viewer around such an object leads inevitably and with great surprise effects to sometimes total changes in appearance.

Nic Hess (*1968, lives in Zurich) became known since the late 1990s for installations in which he used industrial paint, collaged images and colored tapes, light projections and neon to take mental and factual possession not only of walls and ceilings, but of entire rooms. These (spatial) collages are based on an archive of hundreds of transparencies with the most diverse commercial logos, pictograms, images of masterpieces of art history, and political as well as economic icons. Hess plays music from a global, pictorial score. His notation is archived images that he has collected over the past 25 years. Images that seem arbitrary and meaningful at the same time. Images we don‘t know and yet know because we all live with an inner archive of once-seen icons, symbols, logos, emblems, and emoticons in a world where linguistic communication is supplanted by a visual language. Hess stages this universal archive of images into a rhythm of emptiness and compression. The works are the moments in the course of the melody in which the simple black line – the beginning of each drawing – condenses in the aggregation of pictorial information and takes on meanings that are beyond the known reading of the signs.

Markus Huemer works with the media of painting and drawing as well as creating interactive installations, environments or computer animations. In the paintings of this exhibition he seemingly depicts plants – specifically hop plants. We write “seemingly” because in fact the plants do not grow like that. Their images are based on digital collages of pictures of such hop plants, which Huemer found on the Internet and processed into new compositions. He thus plays a game of suggested depictive function, which he assumes of painting, and the subversion of this depictive function. Art-historically preconceived viewers see parallels to Raphael Sanzio‘s grotesques in the Vatican in the garlands in which he has laid the hop plants across the canvas. Here, too, decorative representations of plants that are certainly not illustrations. Along with this go titles that are absurd, illogical, and oblique and have no relation to what is (apparently) depicted. These titles underline the non-existent function of the work as a tool for depicting reality.

While the classical idea of painting is defined by the manual application of liquid color on a mostly rectangularly delimited surface, Jonas Maas (*1985 in Trier, lives in Düsseldorf) radically expands the spectrum of possibilities of what can be subsumed under the term “painting”. He deconstructs the traditional relationship between image carrier and image, between flat painting ground and color material, by letting carrier, color and forms act as equal elements of an image of painting – as systemic fragmentation and fragmentary systematization at the same time. Maas relies on unconventional techniques in his works: for example, he works on wood and aluminum, not on canvas. He often prints compositions on his painting surfaces using the UV printing process, which were created in image processing programs on the computer; otherwise, apart from the classic brush, he applies the paint with a roller or palette knife. Maas uses the means of schematization and disruption, of visual overload and minimalist reduction, concrete relationships and diffuse interstices or voids to investigate the conditions and possibilities of specifically colored structures in space.

Anna Malagrida’s (*1970 in Barcelona, lives and works in Paris) works (videos and especially photographs) are characterized by her great interest in social and political contexts. She combines formal quality, media-conceptual considerations, and art-historical references with a great empathy for people. In her photographs, Malagrida thus deals with questions of cultural identity, the boundaries between the private and the public, and the relationships of authority and power in our contemporary society. Her works are often prompted by current events, but discuss issues that transcend the daily news. The work Rue Balard II comes from the series Vitrines (Escaparates), which was created in 2008–2010 in the wake of the financial crisis that led to the closure of stores around the world. The subject of the works are the shop windows of closed Parisian stores, painted white to prevent a view of the empty interior. Malagrida photographed these shop windows, capturing the traces of the coats of paint as well as reflections of the city. The tensions of the city are embodied in these large-scale images (the photographs are reproduced almost to their original scale) in the form of an abstraction.

Christof Mascher (*1979 in Hannover, lives and works in Braunschweig) only seemingly follows the traditional path of narrative painting. It is true that his dream-like paintings conjure up fantastic narratives and combine a language of expressionist signs with illustrative details, contemporary iconography, and foreboding architectural spaces. It is also the case that the works exhibit relationships to “primitive“ and “naïve“ art, to the fantastical hybrids of Paul Klee and Hieronymus Bosch, or to Emil Nolde‘s expressive use of color. Mascher thus creates scenes of eerie, barren, and ambiguous spaces animated by fantastic flora and fauna and ethereal structures. Nevertheless, it should be noted that Mascher always records his narratives in the mode of “as if“. There are allusions to the history of mankind and / or the world: crocodiles, monuments, architectures, vehicles, historical-looking figures and others are elements that populate his images. And through the way in which he distributes these elements in his pictorial space and on the picture surface – the term of pasticcio, ^which comes from music, suggests itself – he develops a story (and subverts it at the same time), thus becoming a storyteller. But while he offers us this content, which one thinks one can understand, he simultaneously preserves openness. There is no clearly readable “story line“; whatever one sees remains broken, remains allusion and association.

Yelena Popova’s (*1978 in Ozersk, USSR, lives and works in Nottingham) work is always concerned with socio-political content, which she casts into artistic form after extensive research into the historical background and contexts. Accordingly, she works with a wide variety of media: video films, sculptures, installations, computer performances, drawings and tapestries. All groups of works are also accompanied by paintings, which have their own particular connection to the overarching themes, although – as it appears at first glance – they are abstract works formally related to Russian Modernism and Constructivism. Popova‘s approach to her works is not so much documentary; rather, she seeks an aesthetically compelling form to confront us with the themes and stimulate reflection.

Arcangelo Sassolino (*1967 in Vicenza, where he lives and works) creates sculptures with which he makes reduced processes and physical phenomena such as speed, pressure, gravity, friction and controlled danger visible and tangible. Sassolino exposes his materials to direct and immediate force. Force thus acquires an artistically transformed perceptibility (in ancient Greek: aisthesis) as a physical quantity. Thus his works function as new solutions for sculpture. Sassolino‘s handling of materials and forms is a metaphorical mirror for political-social relations.

Florian Schmidt (*1980 in Raabs, Austria, lives and works in Berlin and Weimar) creates pictorial bodies with which he explores the relationship between space, material and color. The results of this research are two-, sometimes three-dimensional wall works and free-standing sculptures. His pictorial structure is often related to the empty frame within which individual wooden slats form supporting structures on which flatter elements may be attached. Schmidt uses these individual elements on an equal footing and without deriving a hierarchy from their original function. In fact, Schmidt goes even further. Not only does he use the various materials without considering their original function, but he attempts to derive the design of the works from the materials themselves, in that he is guided in the composition of his works by the forms of the materials and colors already present. Thus, Schmidt‘s working method reveals itself as a process of cyclical deepening of thoughts; as a cycle in which existing works enter into renewed connection with the dynamics of the working process, for which the factor of repetition turns out to be decisive.

Corinna Schnitt‘s (*1964 in Duisburg, lives in Dortmund) work is characterized by her great interest in people and their interrelationships, loneliness or community, and the possible hopes and dreams that people have just as they suffer fates. Her films have an unagitated, peculiarly laconic character, which on the one hand makes us as viewers laugh, and on the other hand can make us melancholy. In the video work Schönen, guten Tag (Hello Ms. Schnitt), we follow in black-and-white images a female tenant – played by Schnitt herself – who repeatedly receives instructions from the landlord couple via an answering machine and carries them out meticulously and compulsively. An imaginary threat from outside is suggested by the calls, which express distrust and anxiety. The protagonist‘s striped clothing points to her status as an “inmate“ or convict and underscores the tenant‘s isolation. The Family Pictures show constellations and stagings of groups of people that we, even without knowing the title, classify as classic family pictures. Individually, the pictures are authentic, appearing very normal and average. Only when we look more closely do we see that one person (the artist) is in each photo and always takes on a new role in the “families“ – as mother, daughter, sister and partner of different men. The photographs lose their authenticity, and so Schnitt dispels the notion that family pictures really say anything about the actual relationships of the people.

Javier Téllez (*1969 in Valencia, Venezuela, lives and works in New York) grew up as the son of two psychotherapists on the grounds of a clinic for mentally ill people and thus in a very special environment. His films not only very often deal with the history of film or theater, but they regularly question what is stereotypically understood by mental illness. The question, then, of what normality is and how to define “normal“ and especially “un-normal“ is what drives Téllez. In the 2006 film Oedipus Marshal, Téllez used mentally ill people as actors and staged Sophocles‘ classic play, Oedipus the King, as a western film. As is customary in classical tragedies, the actors wear masks, in this case japanese. The offer for reflection includes not only the elements of Greek tragedy, but also the question of the (mental) state of the actors, their illness, which is not readily visible externally even without a mask, and the social definition of the abnormal in general. The film project resulted in 8 photographic diptychs (of which we show four), which show the actors in their costumes, each with and without a mask.

Rebecca Ann Tess‘ (*1980 in Annweiler am Trifels, lives in Berlin) work has been circling around themes such as architecture, urban planning, landscape and how we as humans relate to each other and to nature by way of photography and video installation for several years. The question of who exercises what power over whom and how this manifests itself in our cities and also in our nature goes hand in hand with this. This is only an apparent departure from the themes that have occupied Tess thus far: namely, the examination of film and television history from the particular perspective of interest in gender topoi. For these were also investigations of relations of power and oppression. For the project »2Dbody3Dcode«, Tess was on the road in a camper van in different regions of Spain, focusing on the direct experience of nature through her own body. This resulted in photographs in which the artist focuses on specific geometric shapes in nature and explores the connections between patterns in nature and computer-generated algorithms

Ignacio Uriarte (*1972 in Krefeld, lives in Berlin) has become known for works for which he uses utensils from the banal world of daily office life. By repeating casual gestures and decontextualizing the materials he uses, he creates works that relate to the Minimal Art and Conceptual Art of the 1960s and 70s in form and content. The starting point for the works in our exhibition is doodling – an act that some people do absentmindedly on their notepad at work during a phone call or meeting. Uriarte uses this action as a technique for his works, forming geometric shapes. The banality of the executed action contrasts with the rational look, the arbitrariness of the individual lines through the scribbling contradicts the precisely arranged, structured forms.

Through the work of Bas de Wit (*1977 in Budel, lives and works in Maastricht) a peculiar world unfolds. De Wit‘s world is one without logic and reason; a clownish commentary on the (art) world and a reflection on the indeterminacy of life itself. Life, according to the artist, must be lived, not rationalized. For the sculptures in our exhibition, de Wit has worked with casts of ancient sculptures and in turn altered them: distorted, stretched, compressed, colored. The result are the funny memories of…, distorted images of works of art that actually stand for perfection and flawlessness, but are now marked by decay and grotesqueness.

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