Ignacio Uriarte
Rechteck, Dreieck, Kreis

June 8 – August 24, 2024
Opening on June 7, 2024, 6-10 pm

Mit Rechteck, Dreieck, Kreis zeigen wir unsere fünfte Einzelausstellung mit dem deutsch-spanischen Künstler Ignacio Uriarte (*1972 in Krefeld, lebt in Valencia).

Bevor er sich für seine Leidenschaft und eine Karriere als Künstler entschied, war Uriarte jahrelang als Betriebswirt tätig. Nun verarbeitet er seine Eindrücke und Erfahrungen aus der Arbeitswelt und Bürokratie und schafft Kunst, in der er Büromaterialien aller Art dekonstruiert. Bis auf ein zweijähriges Studium der audiovisuellen Künste am Centro de Artes Audiovisuales in Guadalajara, Mexiko, ist Uriarte hinsichtlich seiner künstlerischen Praktiken Autodidakt. Die neue Ausstellung präsentiert serielle Kritzelzeichnungen in einer neuen, gedämpften Farbpalette, die nach ihren geometrischen Grundformen in drei Kapitel / Ausstellungsräume gegliedert sind: Rechtecke, Dreiecke, Kreise.

Uriarte wechselt zu einer Reihe neuer Fineliner mit 14 verschiedenen Farben. Zuvor wurden Fineliner in den gängigen Bürofarben Rot, Grün, Blau sowie Schwarz verwendet und die Tinten gemischt, um Zwischentöne zu schaffen. Mit dieser Veränderung scheint Uriarte sich ein Stück weit vom Büro mit seinen eher grellen, signalisierenden Farben zu verabschieden und wendet sich einer von ihm als Künstler selbst gesteuerten Ästhetik zu. Die neue Farbpalette mit Tönen wie Preußischblau, Grautönen, Bordeauxrot, Braun und Schwarz zeigt jedoch beliebte Farbwahlen für Anzüge und Kostüme und verweist damit wiederrum auf die Geschäftswelt.

Nicht nur die Farben verändern sich in den aktuellen „Kritzelzeichnungen“, auch die Art der Überlagerungen, das Schaffen von zeichnerischen Räumen sind uns so, wie wir es jetzt erleben können, aus dem Werk Uriartes noch nicht bekannt. Uriarte behandelt die Frage, wie Raum entstehen oder sich auflösen kann. Welche geometrischen Konstruktionsformen sind möglich, um Raum zu schaffen und wie stabil oder dynamisch kann dieser Raum dadurch auf den Betrachter wirken? Dabei spielen nicht nur die bearbeiteten Flächen in den Zeichnungen eine Rolle, sondern auch, wie der leere Raum in den Formen und um die Formen herum aktiviert wird.

In den Zeichnungen finden sich aber auch wieder Bezüge zur Arbeitswelt: die verwendeten Formen werden häufig zu Vehikeln, die der Darstellung mathematischer Formeln und Regeln dienen, welche in Arbeitsprozessen (im Büroalltag) häufig zur Berechnung von Budgets, Arbeitszeiten, Lohnabrechnungen etc. verwendet werden. Ähnliche Formen werden auch häufig von Unternehmen als Symbole verwendet, sei es als Firmenlogo, auf einem Veranstaltungsplakat oder in einer Powerpoint-Präsentation zur vereinfachten Darstellung von Unternehmenswerten oder komplexen Systemen.

Ein spielerisches Moment besteht in den Freiheiten im Umgang mit Geometrie und mit geschaffenen Räumen durch Überlappung, Multiplizierung, Teilung. Beispielhaft ist hier die Arbeit Vertigo zu nennen. Während es in Alfred Hitchcocks berühmten, gleichnamigen Film um die Angst vor dem Absturz in die Tiefe geht, lassen wir uns durch die Zeichnung von Uriarte gern in den zentralen Tiefenraum saugen. Er entsteht durch die Kombination von rechtwinkeligen Dreiecken, die gestaffelt, verkleinert und (um jedes Mal 22,5°) nach rechts gedreht werden, so dass nach zwei Drehungen ein auf den Spitzen stehendes Quadrat entsteht, nach insgesamt vier Drehungen wieder ein orthogonal ausgerichtetes Quadrat und nach sechs Drehungen wieder ein auf der Spitze stehendes Quadrat. In der Mitte schimmert ein nicht bekritzeltes Feld, dass uns eben suggestiv in das Blatt hineinzuziehen scheint, als blickten wir auf ein Blatt von MC Escher.

Weniger spielerisch ist dagegen die Zeichnung Black Window Division, eine Arbeit aus dem Ausstellungsraum, der mit ‚Rechteck‘ überschrieben werden kann. Hier wird das Blattformat in insgesamt 14 Felder unterteilt, und zwar dergestalt, dass die beiden oberen, nebeneinander angeordneten Felder das DIN A4-Format haben, die darunterliegenden vier Felder das DIN A6-Format und die wiederum darunter liegenden acht Felder das DIN A8-Format. Uriarte hat also eine Entwicklung der jeweils in ihrer oberen, linken Ecke bekritzelten Felder eingebaut, die mit der Bürowelt zu tun hat, die systematisch ist, die aber zugleich – auch durch die suggerierte Räumlichkeit – Erinnerungen an die Kaufhausfassaden des Architekten Egon Eiermann hervorrufen.

Auch in der Zeichnung Blue Square Ribbon Overlap kann ein spielerisches Moment beschrieben werden: das zentrale, weiße, nicht bekritzelte Quadrat, das eine Kantenlänge von einem Drittel der Kantenlänge des gesamten bearbeiteten Quadrats hat, wird umringt von einem Röhren-förmig wirkenden Band in Schwarzblau, das an einer Ecke durch die suggerierte Überlappung zweier gedachter Enden zu einem abgeflacht wirkenden Quadrat mit zentralem Weiß wird. Das ist keine Bürosystematik mehr, sondern erinnert vielmehr an Logos von Unternehmen (man denkt an das grüne Band der Sympathie der ehemaligen Dresdner Bank oder das Logo der Deutschen Bank und andere Markenzeichen).

Ebenfalls besonders sind die Licht-Effekte, die Uriarte in seinen neuen Zeichnungen erzeugt hat. Sie entstehen durch die Gradierungen und die Vervielfältigung / Staffelung der Kritzeleien, die immer wieder Räume entstehen lassen, die das Licht, so scheint es, hindurchschimmern lassen, wie eine Hinterleuchtung. Wir sehen dies zum Beispiel deutlich auch in dem Diptychon Doors, das Metaphern wie „Licht am Ende des Tunnels“ oder „das Licht führt uns auf den rechten Weg“ plausibel werden lässt.

Diese quasi-religiösen, spirituellen Assoziationen kann man auch bei den Black Arches und den Red Arches aus dem ‚Kreis‘-Raum haben. Sie erinnern an die dicken Säulen romanischer Krypten, an mittelalterliche Säulenkapitelle oder an die abstrakten Muster, die sich als Wandschmuck in arabischen Moscheen finden – oder, wer es lieber mit der Natur als mit der sakralen Räumen hält, an Pflanzen in einem Urwald. Architektonische Gewölbe zeigt uns auch Grey Semicircle Diptych, wo die Halbkreise im Wechsel in zwei kaum voneinander zu unterscheidenden Grautönen gekritzelt sind, so dass Bögen zu sehen sind, die nach vorne herauszuragen scheinen. Man kann die religiöse Deutung noch weitertreiben, ohne dass dies unbedingt Intention Uriartes gewesen wäre. Denn die sich hinsichtlich ihrer Anzahl dynamisch entwickelnden Semicircle Propellers, ein Tetrachon in Grau und Preußisch-Blau, zeigen im Zentrum immer Sterne mit unterschiedlichen Anzahlen von Strahlen in unterschiedlicher Länge und Größe. Andererseits erinnern die Halbkreise auch an Stundenpositionen bei Uhren, an Wassermühlen oder Schaufelradbagger, so dass im Grunde festzuhalten ist, dass es in den Zeichnungen neue, les- und deutbare Formen gibt. Das gilt auch für Warm and Cold Waves, eine Zeichnung mit höchst subtiler Farbdifferenz und technoidem Grundton, aber ebenso auch mit organischen Formen, die an ineinandergreifende Hände oder die Zähne eines Reißverschlusses denken lassen. Auch hier spielt der Negativraum eine große Rolle. Und die Geschichte des psychodelischen Designs, wenn man an Tapeten, Vorhänge oder Bezugstoffe aus den späten 1960er- und frühen 1970er-Jahren denkt.

In dem Raum ‚Dreieck‘ sehen wir mit Black Rhombusses eine weitere Arbeit, die – durch die Schichtungen bzw. den Wechsel von bekritzelten und nicht bekritzelten Zonen – eine lichtstarke Wirkung hat und suggeriert, hier würden wir umfangen oder eine Form der Erleuchtung erfahren. Die Form ist auf das „Ojo de Dios“ („Auge Gottes“) zurückzuführen, einem spirituellen Votivobjekt mit Ursprung bei den Huichol-Indianern in Mexiko. Diese Form taucht in der lateinamerikanischen konkreten Kunst der 1960er Jahre auf, mit der Uriarte sich intensiv befasst hat.

Viele der Zeichnungen in Uriartes Ausstellung bieten dem Betrachter eine besondere visuelle Erfahrung: die optische Täuschung von Bewegung. Durch die Verwendung sich wiederholender Formen erzeugt Uriarte die Illusion sich drehender, kleiner oder größer werdender und flimmernder Formen. Zudem ist es die extreme Präzision und mechanisch anmutende Handarbeit der Kritzelzeichnungen, die immer wieder aufs Neue fasziniert.

With Rechteck, Dreieck, Kreis (Rectangle, Triangle, Circle) we are showing our fifth solo exhibition with the German-Spanish artist Ignacio Uriarte (*1972 in Krefeld, lives in Valencia).

Before deciding to pursue his passion and a career as an artist, Uriarte worked as a business administrator for many years. Now he processes his impressions and experiences from the business world and bureaucracy and creates art in which he deconstructs office materials of all kinds. Apart from a two-year course in audiovisual arts at the Centro de Artes Audiovisuales in Guadalajara, Mexico, Uriarte is self-taught in his artistic practices. The new exhibition presents serial doodle drawings in a new, muted color palette, which are divided into three chapters / exhibition spaces according to their basic geometric shapes: rectangles, triangles, circles.

Uriarte switches to a new range of fineliners with 14 different colors. Previously, fineliners in the standard office colors red, green, blue and black were used and the inks were mixed to create intermediate shades. With this change, Uriarte seems to be moving away from the office with its rather bright, signaling colors and turning to an aesthetic that he himself directs as an artist. However, the new color palette with tones such as Prussian blue, shades of grey, Bordeaux red, brown and black reflects popular color choices for suits and costumes, again referencing the business world.

It is not only the colors that change in the current “scribble drawings”, but also the type of superimpositions and the creation of graphic spaces that we can experience now are not yet known from Uriarte‘s work. Uriarte deals with the question of how space can emerge or dissolve. What geometric forms of construction are possible to create space and how stable or dynamic can this space appear to the viewer as a result? It is not only the processed surfaces in the drawings that play a role here, but also how the empty space in and around the forms is activated.

However, the drawings also contain references to the working world: the shapes used often become vehicles that serve to represent mathematical formulas and rules, which are frequently used in work processes (in everyday office life) to calculate budgets, working hours, payroll accounting, etc. Similar shapes are also frequently used by companies as symbols, be it as a company logo, on an event poster or in a PowerPoint presentation for the simplified representation of company values or complex systems.

A playful moment consists in the freedom in dealing with geometry and with created spaces through overlapping, multiplication and division. One example of this is the work Vertigo. While Alfred Hitchcock‘s famous film of the same name is about the fear of falling into the depths, we enjoy being drawn into the central depth space by Uriarte‘s drawing. It is created by the combination of right-angled triangles that are staggered, reduced in size and rotated (by 22.5° each time) to the right, so that after two rotations a square standing on its tips is created, after a total of four rotations another orthogonally aligned square and after six rotations another square standing on its tip. In the center shimmers an unscribbled field that seems to draw us suggestively into the sheet, as if we were looking at a sheet by MC Escher.

Less playful, on the other hand, is the drawing Black Window Division, a work from the exhibition room that can be titled ‘Rectangle’. Here, the sheet format is divided into a total of 14 fields in such a way that the two upper fields arranged next to each other are in DIN A4 format, the four fields below are in DIN A6 format and the eight fields below that are in DIN A8 format. Uriarte has thus incorporated a development of the fields, each scribbled on in its upper left-hand corner, which has to do with the office world, that is systematic, but which at the same time – also through the suggested spatiality – evokes memories of the department store facades of the architect Egon Eiermann.

A playful moment can also be described in the drawing Blue Square Ribbon Overlap: the central, white, unscribbled square, which has an edge length of one third of the edge length of the entire worked square, is surrounded by a tubular-looking ribbon in black-blue, turning into a flattened-looking square with a central white at one corner through the suggested overlap of two imaginary ends. This is no longer an office system, but is more reminiscent of company logos (one thinks of the green band of sympathy of the former Dresdner Bank or the logo of Deutsche Bank and other trademarks).

Another special feature of Uriarte‘s new drawings are the light effects he has created. They are created by the gradations and the multiplication / staggering of the scribbles, which repeatedly create spaces that allow the light to shimmer through, seemingly like backlighting. We see this clearly, for example, in the diptych Doors, which makes metaphors such as “light at the end of the tunnel” or “the light leads us onto the right path” plausible.

These quasi-religious, spiritual associations can also be found in the Black Arches and Red Arches from the ‘Circle’ room. They are reminiscent of the thick columns of Romanesque crypts, medieval column capitals or the abstract patterns found as wall decorations in Arab mosques – or, for those who prefer nature to sacred spaces, plants in a jungle. We are also shown architectural vaults in Grey Semicircle Diptych, where the semicircles are scribbled alternately in two barely distinguishable shades of gray, so that arches can be seen that seem to protrude forward. The religious interpretation can be taken even further, without this necessarily having been Uriarte‘s intention. For the Semicircle Propellers, a tetrachon in grey and Prussian blue, which develop dynamically in terms of their number, always show stars in the center with different numbers of rays of different lengths and sizes. On the other hand, the semicircles are also reminiscent of the hour positions on clocks, water mills or bucket wheel excavators, thus basically establishing that the drawings offer new forms to be read and interpreted. This also applies to Warm and Cold Waves, a drawing with a highly subtle color difference and a technoid basic tone, but also with organic forms reminiscent of interlocking hands or the teeth of a zipper. Negative space also plays a major role here. And the history of psychedelic design, when you think of wallpaper, curtains or upholstery fabrics from the late 1960s and early 1970s.

In the ‘Triangle’ room, we see another work, Black Rhombusses, which – through the layering or alternation of scribbled and unscribbled zones – has a strong light effect and suggests that we are surrounded here or experience a form of enlightenment. The shape can be traced back to the “Ojo de Dios” (“Eye of God”), a spiritual votive object originating with the Huichol Indians in Mexico. This form appears in the Latin American concrete art of the 1960s, which Uriarte studied intensively.

Many of the drawings in Uriarte‘s exhibition offer the viewer a special visual experience: the optical illusion of movement. By using repetitive forms, Uriarte creates the illusion of rotating, decreasing or increasing and flickering shapes. In addition, it is the extreme precision and seemingly mechanical handwork of the doodle drawings that fascinates time and again.

Interested in Ignacio Uriarte?