Ignacio Uriarte
Raumteilungen
September 5 – October 24, 2020
Ignacio Uriarte zeigt mit Raumteilungen im September und Oktober 2020 seine inzwischen vierte Einzelausstellung in unserer Galerie. Während man angesichts ihres Titels daran denken könnte, in dieser Ausstellung werde der Galerieraum wieder selbst installativ unterteilt (so geschehen in 2017 mit der Papierinstallation Thirds), sind es vielmehr die Bildräume der ausgestellten Arbeiten, die mit zeichnerischen Mitteln auf ganz unterschiedliche Weise unterteilt werden.
In Raumteilungen beschränkt sich Uriarte einerseits auf die beiden Töne Schwarz und Rot (und die durch Mischungen erzielten Zwischentöne). In der für Uriartes Œuvre bekanntermaßen wichtigen Welt des Büros und der Betriebswirtschaft spielen diese Farben als Zeichen für positive oder negative Entwicklung eine entscheidende Rolle (in der früheren Werkgruppe der Upper & Downer-Zeichnungen übersetzte er diesen Bezug sogar in getippte Prozentzeichenzeichnungen). Und in der Bildhauerei korrespondieren konzeptuell positive Zahlenwerte (Schwarz) und negative Zahlenwerte (Rot) mit positivem (Material) und negativem Raum (Leere bzw. fehlendem Raum). In Uriartes Werken gibt es Bezüge zu beidem: Der Raum in den Zeichnungen wird strukturiert in positive und negative Bereiche, aber es geht auch um das Schreiben, das Notieren, das Kritzeln – Gesten, die nah’ am Aufzeichnen von Zahlenwerten sind. Insofern besteht auch hier die für Uriarte typische Ambivalenz zwischen der künstlerischen und der banalen (Büro-)tätigkeit.
Andererseits setzt Uriarte in den Werken der Ausstellung auf drei Techniken des Farbauftrags, bzw. der eingesetzten Medien: er kritzelt mit dem Tintenstift, wie erwähnt, er tippt mit der Schreibmaschine und er ‚malt‘ Linien mit dem Permanentmarker entlang, bzw. mit der Hilfe eines Zeichentisches. Wenn man so will, demonstriert Uriarte in seinen Zeichnungen verschiedene Wege des räumlichen Zeichnens – zugleich lässt er die perspektivisch-abbildende Zeichnung aus.
In dem Diptychon Two Orders mit kleinteiligen, gekritzelten, organischen Formen auf beiden Tafeln wirkt die rechte Tafel so, als habe ein wütender Künstler / Autor mit der Hand durch die ordentlich auf einem rechtwinkligen Raster sitzenden Formen der linken Tafel gewischt und so eine scheinbar chaotische, unsystematische Komposition geschaffen. Ordnung (Raster links) versus Chaos (fliegende Formen rechts) kommen einem als Begriffe in den Sinn.
Eine andere Raumteilung (oder -zusammenführung) entsteht durch das Zusammenspiel mehrerer Blätter und der auf ihnen befindlichen, gezeichneten Flächen, die zusammen eine große Form, in zwei Fällen der Ausstellung – Black Diagonal und Red Diagonal – jeweils eine Diagonale, ergeben. Nicht durch Ergänzung von Lücken, wie in den 1960er Jahren von der Gestalttheorie thematisiert, sondern durch die Kombination von Einheiten, die als Komposition das Ganze sichtbar werden lassen. Man kann das als Metapher für Gesellschaft oder funktionale Gebilde lesen, man kann aber einfach auch und vor allem den in Form der Blätter geteilten, aber visuell ganzheitlichen Raum sehen.
Zwei weitere großformatige und ebenfalls mehrteilige Werke – Arena und Concentric Squares – schaffen gestaffelte Tiefenräume durch das Wiederholen gekritzelter Strukturen in immer kleinerem bzw. größerem Format, jeweils um ein Zentrum herum. Der Raum entsteht einerseits durch die Abstände zwischen den jeweiligen Linien und andererseits durch die wolkige Art der Zeichnung, die gerade eine (Ab-)teilung von Linie und Blatt, eine strenge Unterscheidung von „hier Linie“ / „hier keine Linie“ unmöglich macht.
In den mit der Schreibmaschine getippten Werken der Ausstellung legt Uriarte mit dem X-Zeichen getippte Felder neben- und übereinander, mal in rot und schwarz gemischt (im Falle der mit Untitled [Square Overlay] betitelten Zeichnungen), mal mit den scheinbar monochromen X-Field-Zeichnungen (deren Farbtöne sich durchaus unterscheiden, je nach Benutzung verschiedener und verschieden abgenutzter Farbbänder). Geometrische, rechteckige Formen gliedern die Blätter. Dabei entstehen die Kompositionen (es ist gerechtfertigt, hier auf den lateinischen Ursprung des Wortes Komposition, nämlich: componere [deutsch: zusammenlegen / -setzen / -stellen] zu verweisen) auf eine fast automatische Weise, die – hinsichtlich der Raumnutzung auf dem Blatt – an das Geschicklichkeitsspiel Tetris erinnert. Von oben (also: aus einer gedachten Vogelsperspektive) gesehen, lassen sich gerade bei den X-Fields-Zeichnungen Felder in der Landwirtschaft oder auch die Entwicklung von Städten assoziieren. Eine Situation (ein Feld oder Viertel) zieht andere Entscheidungen und Entwicklungen teils zwingend nach sich, bzw. legt sie teils nahe, so dass am Ende über Jahrzehnte – im wirklichen Raum – komponiert, bzw. geteilt und kombiniert wird. Für diesen Prozess schafft Uriarte mit den X-Field-Zeichnungen bildnerische Metaphern.
Ignacio Uriarte will be showing his fourth solo exhibition in our gallery in September and October 2020. While the title of the exhibition – Space Divisions – might make one think that the gallery space itself is once again divided (as happened in 2017 with the paper installation Thirds), it is much more the pictorial spaces of the exhibited works that are subdivided in a variety of ways and by means of drawings.
In Space Divisions, Uriarte limits himself on the one hand to the two tones black and red (and the intermediate tones achieved by mixing them). In the world of the office and business administration, which is of great importance for Uriarte’s œuvre, these colors play a decisive role as signs of positive or negative development (in the earlier group of Upper & Downer-drawings he translated this reference into typed percentage-sign drawings). And in sculpture, positive numerical values (black) and negative numerical values (red) conceptually correspond with positive (material) and negative space (emptiness or lack of space). In Uriarte’s works there are references to both: the space in the drawings is structured into positive and negative areas, but it is also about writing, noting, scribbling – gestures that are close to recording numerical values. In this respect, the ambivalence between artistic and banal (office) activity, which is typical for Uriarte, also exists here.
On the other hand, in the works of the exhibition Uriarte relies on three techniques of color application, respectively the media used: he scribbles with an ink pencil, as mentioned before, he types with a typewriter and he ‘paints’ lines with a permanent marker with the help of a drawing table. If you like, Uriarte demonstrates different ways of spatiality in his drawings – at the same time he omits the perspective-illustrative drawing.
In the diptych Two Orders with small, scribbled, organic forms, the right-hand side appears as if an angry artist / author had wiped his hand through the forms of the left-hand side, which are neatly arranged on a rectangular grid, thus creating a seemingly chaotic, unsystematic composition. Order (grid on the left) versus chaos (flying forms on the right) come to mind as concepts.
A different spatial division (or merging) is created by the interaction of several sheets and the drawn surfaces on them, which together form a large form, in two cases of the exhibition – Black Diagonal and Red Diagonal – a diagonal. Not by filling in gaps, as was part of the concept of Gestalt theory in the 1960s, but by combining units that make the whole visible as a composition. This can be read as a metaphor for society or functional structures, but one can also and above all simply see the space divided in the form of the sheets, but visually holistic.
Two other large-format works, Arena and Concentric Squares, also in several parts, create spaces with a kind of layered depth by repeating scribbled structures in ever smaller or larger formats, each around a center. The space is created on the one hand by the distances between the respective lines and on the other hand by the cloudy nature of the drawing, which makes it impossible to distinguish between the line on and the sheet of paper and the strict distinction between “here line” / “here no line”.
In the typed works in the exhibition, Uriarte places fields typed with the X-sign next to and above each other, sometimes mixed in red and black (in the case of the drawings entitled Untitled [Square Overlay]), sometimes with the seemingly monochrome X-field-drawings (whose shades of color are, however, varied, depending on the use of different and differently worn ribbons). Geometric, rectangular shapes structure the sheets. The compositions (it is justified here to refer to the Latin origin of the word composition, namely: componere [English: put together]) are created in an almost automatic way, which – with regard to the use of space on the sheet – reminds us of Tetris. Seen from above (that is: from an imaginary bird’s-eye view), fields in agriculture or the development of cities can be associated with the X-Fields-drawings. A situation (a field or a neighborhood) sometimes necessarily entails other decisions and developments, or suggests them, so that at the end, over decades – in real space – composition, diverse divisions and combinations take place. For this process Uriarte creates pictorial metaphors with the X-Field-drawings.