Koen van den Broek
Broken Road

January 27 – April 6, 2024
Opening on January 26, 2024, 7-9 pm

Fast achtzehn Jahre nach unserer ersten Ausstellung Dante’s View, die Koen van den Broek bei und für uns gemacht hat, und fast 25 Jahre, nachdem er 1999 als Maler erstmals in der Öffentlichkeit sichtbar wurde, widmen wir dem 1973 in Belgien geborenen und bei Antwerpen lebenden Maler nunmehr die neunte Einzelausstellung in unser Galerie.

Während van den Broek von Ausstellung zu Ausstellung jeweils sehr intensive, seine Gemälde auf formaler, wie inhaltlicher Ebene verändernde Schritte gegangen ist und sein Werk auf diese Weise Stück für Stück verändert und erweitert hat, findet nunmehr das statt, was auf Englisch als „Continental Shift“ beschrieben werden kann. Seit einigen Monaten schafft er Gemälde, die nicht mehr in Öl auf Leinwand gemalt sind und nicht auf Fotografien von Landschaften oder herangezoomten Details etwa aus dem Straßenraum basieren.

Die neuen Arbeiten, die wir in Broken Road zeigen, sind keine (Ab-)bilder der Welt, keine Repräsentation einer durch die Linse einer Kamera gesehenen Wirklichkeit. So sehen wir hier also keine abgestufte, auf eine zweite (oder eher: dritte) Ebene abgeleitete Wirklichkeit mehr, sondern wir erleben die „Welt an sich“, wie sie auf der Leinwand stattfindet. Wenn der Begriff nicht für anderes besetzt wäre, könnte man das, was wir jetzt sehen, als „konkrete Kunst“ beschreiben, und zwar in dem Sinne, dass die ganz konkreten Materialien und die Farben der Welt auf die Leinwand aufgebracht sind. Dabei ist „Materialien und Farben der Welt“ wörtlich zu nehmen, denn bei diesem fundamentalen Wechsel hat sich van den Broek nicht nur davon verabschiedet, Bilder von der Welt zu schaffen, sondern auch von seinen über Jahrzehnte verwendeten Werkstoff, dem Öl auf präparierter Leinwand, einem Ensemble an Mitteln, mit dem er zu größter Präzision und Virtuosität gekommen war. Stattdessen greift er zu Farben, die er in Fachgeschäften für Straßenmarkierung erwirbt, Farben, die für das Auftragen auf Straßenbelägen gedacht und gemacht sind, Farben, die sich nicht mischen lassen und bei denen er folglich auf die Palette angewiesen ist, die die Straßenverkehrsordnungen dieser Welt für ihn bereithalten. Ihm bietet sich so eine Auswahl bestehend aus den drei Primärfarben, außerdem Grün sowie die Nicht-Farben Schwarz und Weiß. Dazu verwendet er Teer, eine klebrige, kaum zu bearbeitende Masse. Mit diesen Mitteln schafft er lesbare Materialräume, die genau als solche – und nicht als Bilder – verstanden oder besser erlebt werden können. van den Broek geht einen weiten Schritt hin zu malerischer, aus seiner Intuition gewonnenen Abstraktion.

Virtuos zu lernen, wie mit diesen Materialien im Kontext der Malerei umzugehen ist, und Könnerschaft zu entwickeln, ist schlichtweg nicht möglich. Vielmehr beschreibt Koen van den Broek selbst, dass es hart („rough“) sei, mit diesen Materialien zu arbeiten. Er kämpfe gegen sie und zwinge sie in die Richtung, die er plane und sich vorstelle. Aber jedes Bild sei ein Unfall, vom Zufall und von den physischen Kräften geprägt – wie ein Schnappschuß in der Fotografie, nur bestenfalls zum Teil zu kontrollieren und entsprechend das Unerwartete mit einbeziehend. van den Broek vergleicht dies mit Werken von Lucio Fontana, Yves Klein oder auch Hans Hartung und beschreibt, dass es am Ende also darum gehe, wie er in das aktuelle Geschehen des Materials auf der Leinwand eingreifen könne. Dieser Prozess findet übrigens – anders als früher – aus praktischen Gründen in der Horizontalen statt, mit der Leinwand auf dem Boden liegend und immer wieder auch unter Verwendung einer Maschine, wie sie für den Auftrag von Streifen auf Straßen benutzt wird.

Faszinierend ist dabei, dass trotz aller Radikalität im Umgang mit dem Material, Elemente, wie wir sie aus den bisherigen Arbeiten von van den Broek kennen, erhalten geblieben sind: die Bordsteinkante, die sich diagonal, als Kurve oder vertikal durch das Bild zieht, oder die Risse im Straßenbelag. Auch die Titel weisen durchaus noch Verwandtschaft mit den Titeln früherer Werke auf (zum Beispiel Firmeny oder Broken Road oder South Park). Insoweit besteht dann – trotz aller Veränderung – auch eine Wiedererkennbarkeit.

Immer schon war für Koen van den Broek die Kunstgeschichte von großer Bedeutung. Nicht, um sich mit den von ihm als Referenz herangezogenen Künstlern zu messen oder Hierarchien aufzubauen oder umzustürzen, sondern vielmehr, um sich auf einer theoretischen und praktischen Ebene zu verankern und um die geistige und praktische Nähe und gleichermaßen Distanz in der Auseinandersetzung zu suchen. So denkt er angesichts seiner neuen Werke selbst an Helen Frankenthaler und ihre sogenannten Stained Canvases, bei denen Farbmaterial und Leinwand zu einer untrennbaren Einheit wurden (statt das mit Farbe ein Bild auf der Leinwand geschaffen wurde), er denkt aber auch an Barnett Newman und dessen Reduktionen auf Streifen und Farbfelder (und betitelt entsprechend eine der größeren seiner Leinwände Stations Orange) oder – angesichts der Broken Road-Bilder mit den Rissen im Straßenbelag – an Jackson Pollock und dessen Drippings, für die Pollock ebenfalls Farben nicht gemischt hat, sondern sie aus seinen mit einem Loch im Boden versehenen Eimern auf die Leinwand gegossen und so in Schichten übereinandergelegt hat.

Seit einigen Jahren verfügt Koen van den Broek über ein Atelier auf der zu Südkorea gehörenden Insel Jeju. Dort hatte er sich im Sommer 2023 einige Wochen aufgehalten und die Zeit dazu genutzt, sich zu dem in der Folge gegangen radikalen Schritt zu entschließen. Dazu beigetragen hat sicherlich auch, dass die sehr umfangreiche Monographie des britischen Kunstkritikers John Welchman (Professor an der University of California) im letzten Sommer im Begriff war, abgeschlossen und publiziert zu werden. Eine Monographie, die über 528 Seiten die Entwicklung van den Broeks von seinen Anfängen bis (fast) heute beschreibt, analysiert und kunsthistorisch einordnet. Ebenso waren die Planungen für seine erste institutionelle Einzelausstellung in Deutschland im Kunstmuseum Magdeburg abgeschlossen. Diese Ausstellung ist in Magdeburg noch bis 4. Februar zu sehen und sie wird im Anschluss ab dem 24. Februar in etwas anderer Form im Ludwig Museum in Koblenz zu sehen sein (bis Ende April 2024).

Dass wir die überhaupt erste Einzelausstellung zeigen können, welche Arbeiten aus dieser neuen Phase von Koen van Broeks Oeuvre zeigt und zugänglich macht, erfüllt uns mit großer Freude und Stolz!

Almost eighteen years after our first exhibition Dante‘s View, which Koen van den Broek did with and for us, and almost 25 years after he first appeared in public as a painter in 1999, we are now dedicating the ninth solo exhibition at our gallery to the painter, who was born in Belgium in 1973 and lives near Antwerp.

While van den Broek has taken very intensive steps from exhibition to exhibition, changing his paintings in terms of both form and content and thus changing and expanding his work by stages, something that can be described as a „Continental Shift“ is now taking place. For some months now, he has been creating paintings that are no longer painted in oil on canvas and are not based on photographs of landscapes or zoomed-in details from the street, for example.

The new works that we are showing in Broken Road are not images of the world, not representations of a reality seen through the lens of a camera. Thus, we no longer see a graduated reality derived from a second (or rather: third) level, but experience the „world itself“ as it takes place on the canvas. If the term were not used for something else, what we are now seeing could be described as „concrete art“, in the sense that the very concrete materials and colors of the world are applied to the canvas. „Materials and colors of the world“ is to be taken quite literally, because in this fundamental change van den Broek has not only said goodbye to creating images of the world, but also to the material he had used for decades, oil on prepared canvas, an ensemble of means with which he had achieved the greatest precision and virtuosity. Instead, he resorts to paints that he buys in specialist road marking stores, paints that are designed and made for application to road surfaces, paints that cannot be mixed and for which he is therefore reliant on the palette that the road traffic regulations of this world have in store for him. He is thus presented with a selection consisting of the three primary colors, plus green and the non-colors black and white. He also uses tar, a sticky mass that is almost impossible to work with. With these means, he creates legible material spaces that can be understood or better experienced precisely as such – and not as pictures. Thus van den Broek takes a big step towards painterly abstraction derived from his intuition.

Virtuously learning how to handle these materials in the context of painting and developing skill is simply not possible. In fact, Koen van den Broek himself describes it as „rough“ to work with these materials. He fights against them and forces them in the direction he plans and envisions. But every picture is an accident, shaped by chance and physical forces – like a snapshot in photography, only partially controllable at best and accordingly incorporating the unexpected. van den Broek compares this to works by Lucio Fontana, Yves Klein or Hans Hartung and describes that in the end it is about how he can intervene in the current events of the material on the canvas. Incidentally, unlike in the past, this process takes place horizontally for practical reasons, with the canvas lying on the floor and repeatedly using a machine like the ones used to apply stripes to roads.

It is fascinating that despite the radical approach to the material, elements familiar from van den Broek‘s previous works have been retained: the curb that runs diagonally, as a curve or vertically through the picture, or the cracks in the road surface. The titles, too, are still related to the titles of earlier works (for example Firmeny or Broken Road or South Park). In this regard – despite all the changes – there is also recognizability.

Art history has always been of great importance to Koen van den Broek. Not in order to measure himself against the artists he uses as references or to establish or overthrow hierarchies, but rather to anchor himself on a theoretical and practical level and to seek intellectual and practical proximity and distance in the debate. In view of his new works, he himself thinks of Helen Frankenthaler and her so-called Stained Canvases, in which paint material and canvas became an inseparable unit (instead of creating an image on the canvas with paint), But he also thinks of Barnett Newman and his reductions to stripes and color fields (and accordingly titles one of his larger canvases Stations Orange) or – in view of the Broken Road-paintings with the cracks in the road surface – of Jackson Pollock and his Drippings, for which Pollock also did not mix colors, but poured them from his buckets with a hole in the bottom onto the canvas and thus laid them on top of each other in layers.

For several years now, Koen van den Broek has had a studio on the South Korean island of Jeju. He spent a few weeks there in the summer of 2023 and used the time to decide to take the radical step that followed. The fact that the very extensive monograph by British art critic John Welchman (professor at the University of California) was about to be completed and published last summer certainly contributed to this. A 528-page monograph that describes, analyzes and classifies van den Broek‘s development from his beginnings to (almost) today in terms of art history. The planning for his first institutional solo exhibition in Germany at the Kunstmuseum Magdeburg was also completed. This exhibition can be seen in Magdeburg until February 4 and will then be shown in a slightly different form at the Ludwig Museum in Koblenz from February 24 (until the end of April 2024).

It fills us with great joy and pride that we are able to present the first ever solo exhibition that shows and provides access to works from this new phase of Koen van Broek‘s oeuvre!

Interested in Koen van den Broek?